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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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anderen. Das effektvolle Auftauchen der beiden Verdruss-Reisenden gleichsam aus dem Nichts hatte für einiges Aufsehen gesorgt, zumal sie innerhalb der überwachten Zone aufgegriffen worden waren. Glücklicherweise kannte der Stationsvorsteher der Sennaja einen der beiden Ankömmlinge zu gut, als dass er in den Kindern feindliche Spione vermutet hätte.
    »Einen Eingang würde ich das nicht nennen. Eher ein Schlupfloch . A ber das ändert wohl nichts am Kern der Sache.« Gleb senkte den Blick. Das Ganze war ihm unangenehm. Doch dann besann er sich und griff in seine Tasche. »Das ist für Sie, Onkel Viktor. Ein Geschenk, sozusagen …«
    Der Junge stellte ein kleines Plastikkästchen mit einfarbigem Display und einer Reihe von Tasten auf den Tisch. Die Augen des Stationsvorstehers begannen zu leuchten.
    »Meine hat gerade den Geist aufgegeben. Herzlichen Dank!«
    Viktor Terentjew nahm das Gerät und begutachtete es von allen Seiten. Der Junge wollte sich gerade über seine gute Idee freuen, als Tjorty plötzlich das Gesicht verzog und das Kästchen ziemlich rüde auf den Tisch knallte.
    »Wo habt ihr das her?« Die Stimme des Erwachsenen klang äußerst frostig. »Ist euch eigentlich klar, was ihr da angeschleppt habt?«
    »Äh … eine Tischuhr«, stammelte Gleb heiser. »Dort ist eine ganze Werkstatt mit allem möglichen Krempel …«
    Bedrückendes Schweigen. Tjorty massierte seinen verspannten Nacken, zündete endlich seine schon völlig zerkaute Zigarette an und blies nachdenklich eine graublaue Rauchwolke in die Luft. Seine Miene verfinsterte sich.
    »Das ist eine Zeitschaltuhr. Eine gottverdammte, multifunktionale, programmierbare Zweikanal-Zeitschaltuhr! Ideal zum zeitversetzten Zünden einer Bombe! Ist dir klar, was das bedeutet, Junge?!«
    Gleb schüttelte nur den Kopf und erblasste. Der Stationsvorsteher der Sennaja sprang auf und fuchtelte wild mit den Armen.
    »Es bedeutet, dass der Handelsring in den Verdacht geraten könnte, hinter dem Terroranschlag gegen die Insel zu stecken! Und dann müssen wir erst mal das Gegenteil beweisen! Könnt ihr beschreiben, wo diese Werkstatt ist?«
    Merklich eingeschüchtert von dem aufgebrachten Erwachsenen, nahm Aurora Bleistift und Papier und begann, den Weg zu den Kellern des Apraxin dwor aufzuzeichnen. Terentjew schaute ihr dabei über die Schulter.
    Gleb blieb einstweilen sich selbst überlassen. Erst jetzt ging ihm die Bedeutung von Tjortys Worten auf, und er erschrak über seine eigenen Gedanken. Der Junge versuchte sich zu beruhigen, doch die Vorahnung der Katastrophe rollte wie eine Lawine auf ihn zu.
    »Sprechen Sie von der Moschtschny?«, fragte er bang. »Ist dort was passiert?«
    »Du weißt nichts davon?« Der Stationsvorsteher wandte sich von der Zeichnung ab. »Die Moschtschny gibt es nicht mehr.«
    In der beklemmenden Stille hörte der Junge das Blut in seinen Schläfen pochen. Wie eine zentnerschwere Last legte sich das Gefühl der Ausweglosigkeit auf seine Schultern. Nur tief im Herzen glomm noch ein Funken Hoffnung.
    »Und die Nachbarinsel?«, fragte der Junge, dem seine Zunge kaum mehr gehorchte.
    »Wovon redest du, Gleb? Ist dir klar, was eine Kernexplosion bedeutet? Die Insel Maly ist verstrahlt. Dort kann man nicht mehr leben.«
    Die Nackenschläge dieses Tages schienen kein Ende nehmen zu wollen. Tjorty warf mit schlechten Nachrichten nur so um sich: der Terroranschlag, das Ultimatum der Seeleute von der Bohrplattform, das Gezänk zwischen den Siedlungen, die sich gegenseitig verdächtigten … Was musste eigentlich noch alles passieren, damit die Streitereien und sinnlosen Opfer endlich ein Ende hatten? Oder war das Häuflein der Überlebenden wild entschlossen, sich gegenseitig auszulöschen? Wem hatten die freiheitsliebenden Inselbewohner etwas getan?
    Fragen über Fragen. Mit jedem Tag wurde es schwieriger, die Erwachsenen zu verstehen und eine Rechtfertigung für ihr Handeln zu finden. Diese absurde und völlig grundlose Aggression war für den Jungen eine bittere Enttäuschung.
    Die Seeleute von der »Babylon« verhielten sich keinen Deut besser als die Bewohner von Piter. Die Rache hat ein hässliches Gesicht. Fiel ihnen nichts Besseres ein, als Gleiches mit Gleichem zu vergelten? Andererseits: Konnte man ernsthaft Nachsicht und Vergebung von ihnen erwarten? Nachdem sie auf einen Schlag ihre Lebensgrundlage, das Dach über dem Kopf und ihre Familien verloren hatten?
    Als Gleb das ganze Ausmaß der Tragödie realisierte, wurde ihm klar,

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