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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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gewesen als der Schmerz.
    Gleb sprang auf wie von der Tarantel gestochen und prügelte wie ein Berserker auf die Türangeln ein. Er ahnte, dass er es nicht mehr schaffen würde, und legte seine ganze verzweifelte Wut in die Schläge. Wut auf die durchtriebene Fremde, die ihn im schlimmsten Moment verraten hatte, auf Taran, der sich weiß der Henker wo herumtrieb, und auf sich selbst, weil er sich ohne Not auf dieses Himmelfahrtskommando eingelassen hatte.
    An einem bestimmten Punkt ergriff ihn ein Gedanke von schlagender Einfachheit: Es ist zu spät. Der Junge drehte sich um. Der riesige Kopf des Mutanten füllte fast sein gesamtes Gesichtsfeld aus. Langsam öffnete sich das mit winzigen Hakenzähnen besetzte Maul und umgab sein Opfer mit einer Wolke fauligen Atems. Resigniert betrachtete Gleb die Flinte in seinen erschlafften Händen. Keine einzige Patrone – ausgerechnet jetzt! Wo war Taran, der erfahrene Spezialist für die Liquidierung feindlicher Lebensformen?
    Wenn der Junge gewusst hätte, dass der Stalker dieser Bestie bereits begegnet war und sich entschieden hatte, einem Kampf mit dem Giganten lieber aus dem Weg zu gehen … Wenn Taran seinerseits vorausgesehen hätte, welch fatale Folgen diese Entscheidung nach sich ziehen würde …
    Bisweilen bestimmt das Handeln des einen über das Schicksal des andern, ohne dass ein Zusammenhang ersichtlich wäre. Und nicht selten führen spontane Bauchentscheidungen eher zum Ziel als solche, die sorgfältig abgewägt wurden. Ist dem Menschen die Gabe der Hellseherei nicht deshalb versagt, damit er im Nachhinein die volle Verantwortung für vollbrachte oder unterlassene Taten spürt?
    Schauderhaft raschelnd kam der Wurm näher und spannte die Muskeln an, um zuzuschnappen. Gleb tat das Einzige, was ihm einfiel. Er holte aus und warf das Gewehr in den Raum. Der Kopf des Mutanten folgte sofort dem Geräusch der herabfallenden Flinte. Der Junge verharrte reglos, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Seine Stirn war schweißgebadet, und durch die extreme nervliche Belastung wurde ihm schwarz vor Augen. Gleb hielt sogar den Atem an . A llein das Herz konnte er mit Willenskraft nicht stoppen – es schlug laut und bis zum Hals.
    Der Räuber erstarrte und sondierte die Vibrationen in der Umgebung. Die auffälligen Schwingungen von vorhin waren versiegt. Dafür vernahm er in unmittelbarer Nähe ein schwaches, aber untrügliches rhythmisches Signal: Beute …
    Gleb bekam noch mit, wie das aufgerissene Maul wie eine Lokomotive auf ihn zugerast kam, dann riss ihn eine unsichtbare Kraft zurück und warf ihn auf den Rücken. Die Tür knallte, der Riegel quietschte. Im nächsten Moment wurde die alte Eisenkonstruktion von einem gewaltigen Schlag erschüttert. Der Riegel verbog sich abenteuerlich, aber er hielt.
    Noch völlig perplex über die unverhoffte Rettung hob der Junge den Kopf . A urora zog ihn mit aller Kraft von der Tür weg. Sie zitterte am ganzen Leib, ihr Gesicht war verheult. Gleb rappelte sich auf. Er stolperte, und ein pulsierender Schmerz bohrte sich wie ein glühender Nagel in sein Gehirn.
    Die Schimpfworte lagen ihm bereits auf der Zunge, doch er brachte sie nicht heraus. Das Mädchen weinte. Bitterlich und hemmungslos. Ihre Hände krallten sich in das Hemd des Jungen, und ihr unzusammenhängendes Gestammel wurde von Schluchzern erstickt. Sie starrte ihn mit irren Augen an, als sähe sie ein Gespenst.
    In diesem Augenblick wusste Gleb, dass ihr doppeltes Spiel zu Ende war . A urora hatte ihre Wahl getroffen und alle Bedenken wegen der Geheimhaltung über Bord geworfen. Ein einzelnes Leben war ihr wichtiger als Wohlstand und Müßiggang einer ganzen Siedlung.
    Gleb verzichtete auf eine Aussprache – wozu Dinge zerreden, die sowieso auf der Hand lagen? Nachdem das Mädchen sich beruhigt und er sich von seinem Schrecken erholt hatte, setzten sie ihren Weg fort.
    Es dauerte nicht lange, bis sie den richtigen Kabelschacht fanden – dank Auroras phänomenalem visuellem Gedächtnis. Der Abstieg war lange und anstrengend, verlief jedoch ohne Zwischenfälle . A m Ende kamen sie in einem winzigen Schaltraum heraus, der kaum hundert Meter vom Kontrollposten der Sennaja entfernt lag. Hier stöberte sie eine wachsame Patrouille des Handelsrings auf.
    »Wollt ihr damit sagen, dass es die ganze Zeit direkt vor unserer Nase einen Eingang zur Station gab, von dem wir nichts wussten?«
    Tjorty sah die Kinder streng an und rollte seine Selbstgedrehte von einem Mundwinkel in den

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