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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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kümmerte ihn auch nicht. Er hatte etwas viel Interessanteres entdeckt: eine digitale Tischuhr! Etwas klobiger als die, die im Büro des Stationsvorstehers der Sennaja stand, aber äußerlich völlig intakt. Mit etwas Glück konnte man damit ein paar Patronen einlösen. Immerhin handelte es sich nach heutigen Maßstäben um eine Rarität und gewissermaßen um einen Luxusartikel, denn die von den Masuten hergestellten Batterien waren unverschämt teuer.
    Gleb verstaute den Fund in der Tasche und folgte eilig seiner Begleiterin . A ls er in den nächsten Raum lief, hätte er sie beinahe umgerannt. Wie angewurzelt stand Aurora in dem großen Keller. Sie brachte kein Wort heraus und starrte wie gebannt auf eine langgestreckte Kreatur, die ihren glitschigen, mit Borsten besetzten Körper Stück für Stück aus dem Boden schob und mit demselben Schneckentempo in der bröckeligen Kellerwand verschwand.
    »Rühr dich nicht von der Stelle!«, flüsterte der Junge alarmiert. »Warten wir, bis er wegkriecht. Das ist ein Kanalwurm. Onkel Pachom hat mir von diesen Bestien erzählt.«
    »Aber solche Würmer gibt es nicht!« Das Mädchen schüttelte panisch den Kopf und traute ihren Augen nicht. »Der größte wissenschaftlich beschriebene Wurm …«
    »Vergiss die Wissenschaft und wirf deine Schulbücher weg. Die Welt von damals gibt es nicht mehr. Überall treiben sich Mutanten herum. Jetzt werden sie es sein, die uns als aussterbende Art erforschen. Und probieren, ob wir essbar sind.«
    In Auroras Augen funkelte Entrüstung, doch sie sagte nichts. Offenbar dachte sie über die Worte ihres Weggefährten nach.
    Das weiße Glibbermonster setzte unterdessen seine wellenförmige Bewegung fort. Es schien überhaupt kein Ende zu nehmen. Das leise, unheilvolle Rascheln, das der borstige Körper des Giganten verursachte, zerrte schlimmer an den Nerven als das Gebrüll eines oberirdischen Raubtiers.
    An einem bestimmten Punkt hielt es das Mädchen nicht mehr aus und rannte zwischen Erdhaufen hindurch zur gegenüberliegenden Seite des Raums.
    »Bleib stehen! Nicht bewegen«, zischte ihr Gleb hinterher, doch sie war bereits in der Dunkelheit abgetaucht.
    Nur das schwache Licht ihrer Taschenlampe schimmerte an der entfernten Wand.
    Als der Junge das Licht wieder auf den Mutanten richtete, stockte ihm der Atem. Der segmentierte Rumpf bewegte sich auf einmal viel schneller und – was schlimmer war – in der anderen Richtung!
    »Scheiße …«
    Jetzt hatte es keinen Sinn mehr, reglos zu verharren. Nichts wie weg – war jetzt die Devise. Gleb stürmte durch den unheilvollen Keller. Zu allem Überfluss stellten sich alle möglichen Hindernisse in den Weg: Halden aus zerbrochenen Ziegeln, Erdhaufen, die fast bis zur Decke reichten, verrostete Schubkarren …
    Als der Junge einen steilen Wall erklommen hatte, sah er drüben an der Wand Auroras Silhouette und ließ sich hinabrollen. Nach der unsanften Landung brauchte er einige Sekunden, um sich zu orientieren. Er schüttelte sich und stand auf. In diesem Augenblick hörte er aus Auroras Richtung ein lautes Scheppern, und der schummrige Lichtschein ihrer Lampe verschwand.
    Auf den letzten Metern bis zum Ende des Raums hatte Gleb bereits eine böse Vorahnung . A us der Finsternis tauchten die Umrisse einer massiven Eisentür auf . A ls er an dem breiten Türgriff zog, wurde ihm klar, dass sich seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt hatten. Sosehr er sich auch anstrengte, das schwere Ungetüm bewegte sich keinen Millimeter.
    »Mach auf, hörst du?! Mach sofort die verdammte Tür auf!!«
    Ohnmächtig trommelte der Junge mit den Fäusten gegen die Eisenwand und schrie sich die Seele aus dem Leib . A ls er einsah, dass alles nichts half, lehnte er sich rücklings an die Tür und ließ sich zu Boden sinken. Hysterie brachte ihn jetzt nicht weiter. Er musste sich zusammennehmen und nach einem Ausweg suchen.
    Von dem Mutanten war noch nichts zu sehen. Vielleicht kroch er nur ein wenig herum und verzog sich dann wieder? Wie gern hätte Gleb an einen solchen Ausgang geglaubt, doch seine bisherigen Erfahrungen hatten ihn etwas anderes gelehrt. Von der tückischen Natur der postatomaren Welt durfte man keine Milde erwarten.
    »Tut mir leid, Gleb …« Plötzlich Auroras Stimme hinter der Tür. »Niemand darf wissen, dass Eden existiert. Niemand, hörst du? Versuch, mich zu verstehen … Ich kann nicht anders handeln … Verzeih mir …«
    Der Junge presste das Ohr gegen das kalte Metall und hörte das

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