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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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Horizont. Das Meer. Vielleicht sogar der Ozean. Inmitten der Wellen erhob sich stolz ein eisernes Schiff, auf dessen Bordwand die großen weißen Ziffern »011« zu lesen waren.
    »Das ist der Raketenkreuzer ›Warjag‹«, flüsterte Ischkari ehrfürchtig. »Das Flaggschiff der russischen Pazifikflotte. Die Arche, die uns in das Gelobte Land bringen wird.«
    »Taran sagt, dass wir alle schon längst tot sind. Und auf nichts zu hoffen brauchen. Glauben Sie wirklich, dass es irgendwo
in anderen, fernen Städten Leben gibt?« Der Junge blickte den Sektierer unruhig an.
    »Ja, das glaube ich, Jüngling. Viele sagen, dass ›Exodus‹ nur eine Zusammenrottung von blinden Fanatikern ist, die die harte Realität nicht erkennen und akzeptieren wollen. Ja, wir sind fest in unserem Glauben!« Ischkari rückte näher an Gleb heran, sah ihm unverwandt in die Augen und fuhr im Flüsterton fort: »Unser Glaube stützt sich auf Fakten. Die schlimme Strahlung und die Zerstörungen, die der Mensch hervorgebracht hat, haben die Erde unbewohnbar gemacht. Es gibt aber noch Orte, die der gierigen Umarmung des Chaos entgangen sind. Es gibt sie! ›Exodus‹ weiß das, ›Exodus‹ glaubt daran! Glaube auch du, Jüngling!«
    Taran unterbrach die leidenschaftliche Ansprache Ischkaris und vertrieb ihn in eine andere Ecke. Die vergilbte Fotografie blieb in Glebs Händen zurück. Heimlich verstaute der Junge das Stückchen Papier in einer Tasche seiner Marschweste. Die Worte des Sektierers läuteten in Glebs Kopf Sturm: »Es gibt noch Orte, die der gierigen Umarmung des Chaos entgangen sind … es gibt noch Orte … es gibt noch Orte …«
    Auch Gleb wollte daran glauben.
    Es musste noch Orte auf der Erde geben, wo die Menschen leben konnten ohne Gasmaske, ohne Geigerzähler, oben leben, unter dem Licht der Sonne, leben wie früher! Wo das Gras noch grün und weich war, wie auf den Bildern in den Kinderbüchern, und der Himmel blau, das Wasser sauber und das Essen reichlich. Irgendwo musste es diese Welt geben, von der seine Mutter ihm in seiner
Kindheit erzählt hatte, wenn sie ihn schlafen gelegt hatte.
    »Ich muss diesen Ort finden.« Gleb merkte gar nicht, dass er laut sprach.
    »Was?« Taran drehte sich zu seinem Schüler um. »Was hast du gesagt?«
    Der Junge wurde verlegen und schüttelte den Kopf.
    Unterdessen tauchten die Stalker aus dem Gang auf. Kondor und Schaman zogen einen Mann mit sich, der in schmutzige Lumpen gehüllt war. Der Unbekannte sträubte sich, stieß unartikulierte Laute aus und fletschte die Zähne. Um die Hüften trug der arme Teufel ein verschmiertes Wolfsfell und am Hals ein Band aus ausgetrockneten Rattenschwänzen. Die schräge Stirn und die unnatürlich eng stehenden Augen ergänzten das sonderbare Aussehen des Wilden.
    »Hast du so was schon mal gesehen, Taran?«
    »Ein Mensch ist mir an der Oberfläche noch nie untergekommen. Brüder im Geiste sozusagen …«
    »Ein Mutant, oder was?«, platzte Ksiwa heraus, stockte und blickte schuldbewusst zu Dym hinüber.
    »Da unten ist ein heruntergekommener Bunker. Knochen, Felle, ausgedörrtes Fleisch. Schätzungsweise muss dort ein ganzer Haufen von denen leben.« Kondor stieß dem Unbekannten in die Seite. »Nur dass unser Neandertaler nicht singen will, wohin seine Kumpel abgedampft sind.«
    »Ich glaube, er versteht euch einfach nicht.«
    Der Anführer trat dicht an den Unbekannten heran. Er sah ihm in die Augen, als ob er in seine Seele schauen wolle. Der Wilde hörte auf zu jaulen.

    »Willst du essen?«
    Das Scheusal wurde lebendig. In seinen Augen funkelte Interesse. Taran reichte ihm von seiner eigenen Ration eine Packung Armeezwieback. Der Wilde biss die Verpackung auf und verschlang gierig den Leckerbissen. Der Stalker holte noch eine Portion heraus, hielt sie jedoch zurück. Der Unbekannte streckte zaghaft seine schmutzige Hand danach aus, erinnerte sich qualvoll an die menschliche Sprache und presste nur ein Wort hervor: »G… Gib.«
    »Na also, wir haben Kontakt!« Kondor beugte sich zu dem Vagabunden hinunter. »Wo. Andere. Wie du.«
    »Nein …« Der Wilde dachte nach und suchte mühevoll nach Worten. »S-sind fort … schon lange … Allein … lange …«
    Taran streckte dem Wilden die Packung Zwieback hin.
    »Lasst ihn in Ruhe. Er ist harmlos. In etwa fünfzehn Jahren werden wir selbst genauso aussehen.«
    »Hör auf zu unken!«
    Sie ließen den zerzausten Landstreicher laufen. Die Kämpfer pfiffen und spotteten, während sie zusahen, wie der

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