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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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auf dem Werftgelände beginnen. «
    »Ich weiß Bescheid.« Gleb schob Ischkari das Tagebuch hin. Dieser blätterte einige Seiten durch und grinste erneut.
    »Tja, das erleichtert mir meine Aufgabe. Die armen Teufel hier auf der Insel sind tatsächlich die ehemaligen Bewohner des Objekts. Allerdings sind nicht alle derart heruntergekommen. « Das Grinsen verschwand auf einmal aus dem Gesicht des Sektierers. »Ich bin in diesem Bunker geboren. Hab also schon als Kind Menschenfleisch gegessen. War für mich das Normalste von der Welt. Es gab ja nichts anderes. Noch nie probiert? Es ist Fleisch wie jedes andere. Auf jeden Fall besser als Rattenfleisch. Schmeckt richtig süß dagegen.«
    Der Sektierer nahm einen weiteren gierigen Schluck von dem Fusel.

    »Als der Bunker vollzulaufen begann, beschlossen unsere Eltern, in die Stadt überzusiedeln. Wo sollten wir sonst hin? Die Kranken ließen wir zum Krepieren im Bunker zurück. Die waren uns zu eklig. Am Anfang haben wir uns von Tieren ernährt. Nur gingen die uns auch irgendwann aus. Bald hatten wir alles vertilgt, was sich irgendwie bewegte und was es auf der Insel an Essbarem gab. Von Lomonossow kamen in der ersten Zeit noch Überlebende rüber. Mit denen brachten wir uns dann durch.
    Was wir damals nicht alles gemacht haben. Wir haben die ganze Gegend abgesucht nach Überlebenden. Später haben dann irgendwelche Helden ein Stück vom Damm weggesprengt, um uns auf der Insel einzusperren. Aber eines schönen Tages hatten wir Glück: Ein Touristenschiff legte an der Insel an. Es war schon ziemlich heruntergekommen und verbeult, hatte aber ne ganze Menge Leute an Bord. Während des Angriffs waren sie gerade mitten auf dem Ozean, auf der Überfahrt gewesen. Deshalb hatten sie überlebt.
    Mit diesen Gästen gingen wir achtsamer um. Waffen hatten wir damals ja in Hülle und Fülle, und außerdem einen gesunden Appetit. Wir trieben sie alle zusammen und dann ins Trockendock, unter Bewachung. Das gleiche Dock übrigens, durch das uns Taran geführt hat. Jetzt ist es ja öd und leer, denn wir haben schon längst alle verbraucht. Aber damals war das eine ausgezeichnete Koppel, sozusagen. Es gab viel Platz, woanders hätten wir sie gar nicht untergebracht. Wie die Schafe saßen sie da herum. Und haben sich übrigens auch vermehrt. Der Mensch ist von Natur aus ein Opportunist. Wohin du ihn auch steckst, er
überlebt überall. Sogar an Orten, wo die Ratten verrecken …«
    Je länger Ischkari sprach, desto größer wurde Glebs Entsetzen darüber, mit welcher Leichtigkeit der Sektierer diese unfassbaren Sätze fallenließ.
    »So hätten wir immer schön weitergelebt, ohne Not zu leiden. Aber dann ging eine Seuche in der Stadt um. Unsere Leute hat es damals ordentlich erwischt, und auch das ganze ›Vieh‹ ist uns krepiert. Vor Hunger begannen wir aufeinander loszugehen. Damals haben sich unsere Ältesten den ›Exodus‹ ausgedacht. Ja, ja, Junge, ›Exodus‹ ist hier entstanden, in Kronstadt. Das schöne Märchen von der Arche … Als der Scheinwerfer montiert war, setzten einige Leute heimlich nach Petersburg über. So erschienen die Prediger in der Metro. Ich bin auch mit der Barkasse rüber – der Hunger hat mich getrieben. Mit dem Essen ist es in der Metro natürlich viel einfacher. Obwohl mir die ersten Tage immer übel wurde von eurem Schweinefleisch.« Der Sektierer verzog angewidert sein Gesicht. »Aber auch naive Hinterwäldler gab es in der Metro zuhauf. Kaum war der Leuchtturm in Betrieb, als sich schon die ersten Gläubigen meldeten. Als ob sie drauf gewartet hätten. Die erste Fuhre war schon zur Abfahrt bereit, wir brauchten nur noch die rettende Barkasse heranzufahren …
    Doch da machte uns die Primorski-Allianz plötzlich mit ihrer Expedition einen Strich durch die Rechnung. Ich war damals näher als die anderen bei der ›Technoloschka‹, und es gelang mir, den Trupp abzufangen. ›Exodus‹ kann man nicht mehr einfach so ignorieren. Schließlich ist fast jede Station voll von Gemeindegängern. Kurz und gut, sie nahmen
mich ins Kommando auf, wenn auch unter Zähneknirschen. «
    »Aber wenn ›Exodus‹ eine Erfindung ist, warum haben dich dann die ›Sumpfteufel‹ nicht angerührt?«, fragte Gleb. Er griff nach dem letzten Strohhalm, um seinen einzigen verbliebenen Traum doch noch zu retten.
    »Ein gewöhnliches Insektenschutzmittel. Schützt hervorragend gegen Mücken.« Ischkari nahm eine längliche Flasche aus dem Schrank. »Ironie des Schicksals: Zum

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