Die Reise Nach Helsinki
nach
Pekkas Verwandten in Finnland, und Louise und Anna berichteten das
Wenige, was sie wussten. Dass seine Eltern nicht mehr lebten und
dass es eine Schwester namens Minna gegeben hatte, zu der aber kein
Kontakt bestand, dass er einige Jahre in Carl Soderbergs
Pelzhandlung in Helsinki gearbeitet hatte.
Die Kommissare untersuchten Pekkas
Büro und förderten einen Stapel finnisch geschriebener Briefe von
Carl Soderberg zutage. Sie machten sich auf die Suche nach einem
Übersetzer, was sich als nicht einfach erwies. Schließlich fiel
Anna Pirkkaliisa Großmann ein, eine ihr flüchtig bekannte Finnin,
die in Solingen mit einem deutschen Geschäftsmann verheiratet war
und gelegentlich Übersetzungsaufträge
übernahm.
Pirkkaliisa, Mutter von vier
Kindern, war erschüttert über das Schicksal ihres Landsmannes und
wollte der Polizei gern behilflich sein, allerdings, sagte sie mit
Verweis auf ihre Mutterpflichten, werde sie einige Zeit brauchen.
»Ich werde Sie immer anrufen, wenn ich einen Brief fertig habe«,
stellte sie Hugo in Aussicht, der auf eine schnelle Erledigung
drängte.
Auf diesen Soderberg müsse man die
finnische Polizei unbedingt hinweisen, schnarrte Kommissar
Hohenstein bei einem seiner Besuche am Wall, mit ihm sei der
Kontakt des Opfers doch besonders eng gewesen. Sein Ton brachte
Anna in Rage.
»Carl Soderberg ist der älteste
Freund meines Vaters, er ist über jeden Verdacht erhaben. Er ist
der netteste Mensch, den ich jemals kennen gelernt
habe.«
»Niemand, der mit einer Mordsache in
Berührung kommt, ist über einen Verdacht erhaben«, korrigierte
Hohenstein. »Ich habe jedenfalls den Generalgouverneur in Helsinki
benachrichtigt. Die sollen sich den mal vorknöpfen und auch nach
der Schwester von Herrn Salander Ausschau halten, das heißt, wenn
da überhaupt jemand reagiert. Wir haben ja kein Rechtshilfeabkommen
mit denen, und wer weiß, wie diese finnischen Behörden arbeiten.
Die stehen ja unter der russischen Knute, wahrscheinlich spricht da
noch nicht mal jemand deutsch.«
Er sprach abgehackt und laut und
lief mit vorgereckter Brust im Salon auf und ab. Sein bellender Ton
durchdrang die Wand aus Trauer und Angst, die Anna umgab, und sie
baute sich vor ihm auf.
»Jetzt will ich Ihnen mal eins
sagen. Die Finnen sind ein sehr intelligentes Volk, sie haben eine
hervorragende Schulbildung und sprechen fast alle deutsch. Und
soviel ich weiß, haben sie ebenfalls eine hervorragend ausgebildete
Polizei. Die können Fremdsprachen im Gegensatz zu den Bewohnern
dieses Wilhelmlandes hier, ich möchte mal einen Deutschen sehen,
der Finnisch kann, bei den meisten reicht es ja noch nicht mal zu
Englisch oder Französisch. Außerdem sind die Finnen
fortschrittlich, die haben schon seit sechs Jahren das
Frauenwahlrecht, und die Frauen studieren an den Universitäten.
Davon kann man hier doch nur träumen, in diesem … diesem
chauvinistisch-reaktionären Kaiserreich.«
Ihre Wangen glühten. Hugo Blank, der
hinter seinem Vorgesetzten stand, grinste vergnügt und nickte ihr
aufmunternd zu. Hohenstein war rot angelaufen.
»Frauenwahlrecht, noch so eine
Marotte von diesen Suffragetten. Wenn Sie glauben, wir lassen uns
von diesen Weibsbildern unsere ganze Gesellschaftsordnung auf den
Kopf stellen, haben Sie sich in den Finger geschnitten. Jawohl. Und
sehen Sie sich vor, dass ich Sie nicht wegen Majestätsbeleidigung
belange, halten Sie Ihre Zunge im Zaum.«
Jetzt ging Anna erst richtig
hoch.
»Sie? Sie wollen mich belangen, Sie
Schnauzbart? Wegen Beleidigung von diesem anderen Schnauzbart? Da
lachen ja die Hühner, ja, wo sind wir denn!« Sie verließ den Salon
und drehte sich unter der Tür noch einmal um. »Und wenn ich Sie
dann höflichst bitten dürfte, Ihre Pflichten unverzüglich zu
erfüllen! Ich habe nämlich weiß Gott noch anderes zu tun, als mir
so ein Gerede anzuhören.«
Der Anblick von Hugo Blank, der sich
auf die Lippen biss und kurz davor war, loszuprusten, stoppte den
Ausbruch. Hohensteins Wangen mahlten.
»Sie werden von mir hören, Fräulein
Salander, bezüglich der Mordsache, aber auch bezüglich anderer
Delikte, die ich mich jetzt gezwungen sehe, zu verfolgen. Beamten-
und Majestätsbeleidigung sind schließlich keine
Petitessen!«
Er schnappte nach Luft und
stolzierte hochrot hinaus. Hugo folgte ihm, beugte sich vorher aber
noch zu Anna und flüsterte: »So gefallen Sie mir schon wieder viel
besser, aber seien Sie vorsichtig, er verfügt nicht über
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