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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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bedächtigen Brummen, wenn Pekka neue Bestellungen durch
die Werkstatt rief und alle mit seiner Hektik verrückt machte,
Onkel Eli, der durch ein paar Handgriffe und Nadelstiche einer
schlecht sitzenden Jacke einen eleganten Fall verlieh. Pekka und
Elias samstagnachmittags in der Werkstatt bei einem Bier und
einem pirtu: »Das
haben wir uns verdient, kulta, wenn man die ganze Woche schuftet, darf man
samstags ein bisschen Spaß haben.« Onkel Eli nahm die kleine Anna
auf den Schoß und summte, in seinem roten Bart hing ein wenig
Bierschaum, seine Augen glänzten und lächelten Pekka an.

 

 
    2
    Tod aus Finnland
    Als Anna die Haustür aufschloss,
fiel ihr sofort ein stechender Geruch auf. Im Flur war es dunkel,
aber die Tür zum Kontor war nur angelehnt, und ein Lichtstreifen
fiel heraus, Pekka schien noch über seinen Büchern zu sitzen. Sie
wollte zu ihm hineingehen, als Louise die Treppe
herunterkam.
    »Wo bleibst du, Kind, wir haben uns
Sorgen gemacht.«
    »Es riecht so merkwürdig, wie
bittere Mandeln.«
    »In der Tat, du hast Recht. Vorhin
war das noch nicht, wer weiß, was Pekka treibt.«
    Anna stieß die Tür zum Kontor auf.
Das Erste, was sie sah, war eine Schnapsflasche, die umgekippt auf
dem Teppich lag und einen feuchten Fleck um sich verbreitete. Dann
Pekka, der mit verkrampften Armen bäuchlings über dem Schreibtisch
lag. Es stank nach Alkohol und bitteren Mandeln. Neben Pekka stand
das Päckchen, das Louise am Abend zuvor gebracht hatte:
Aufgerissenes Papier, eine kleine Holzkiste, unter deren
aufgestemmtem Deckel Holzwolle hervorquoll.
    Anna stürzte auf ihren Vater zu und
rüttelte ihn am Arm. Er war leblos, der ganze Mann war leblos, sein
Gesicht war rosig und völlig verkrampft, die Lippen zerbissen. Anna
und Louise sahen sich an, bis Anna zu begreifen begann, dass Pekka
nicht sinnlos betrunken war und auch nicht schlief, sondern dass
etwas Unfassbares geschehen sein musste.
    »Papa!«, schrie sie. »Papa, was ist
mit dir? Wach auf, komm zu dir! Louise, ruf einen Arzt, ruf Dr.
Gerstner an!«
    Louise lehnte kreidebleich im
Türrahmen, dann rutschte sie langsam zu Boden und verdrehte die
Augen. Anna rannte zum Telefon im Flur, und es dauerte eine Weile,
bis sie mit dem Hausarzt verbunden wurde. Als sie aufgelegt hatte,
kam Emma mit leidendem Gesicht im Morgenmantel die Treppe
herunter. 
    »Was soll der Lärm zu
nachtschlafender Zeit, man kriegt ja kein Auge zu.«
    Anna zeigte nur stumm auf die Tür,
in der Louise auf der Erde kauerte, die Hände vor das Gesicht
geschlagen.
    Dr. Gerstner kam kurze Zeit später,
fühlte, ob bei Pekka noch ein Puls vorhanden war, und schnupperte
in die Luft.
    »Polizei«, sagte er, »und zwar auf
der Stelle. Das ist Blausäure, der Geruch ist eindeutig, Zyankali.
Es scheint in der Flasche gewesen zu sein. Berühren Sie um Gottes
willen nichts, es ist ein Kontaktgift, absolut und auf der Stelle
tödlich.«
    In der Tat roch der Fleck auf dem
Teppich besonders intensiv. »Pirtu«, flüsterte Anna, »es ist eine Flasche mit
finnischem Schnaps.«
    Sie ließ sich mit der Polizei
verbinden, der Arzt versorgte Louise und Emma, die, nachdem sie den
Toten gesehen hatte, ebenfalls zu Boden gesunken war, mit einem
Beruhigungsmittel. Gemeinsam hievten sie Emma und Louise hoch und
verfrachteten sie in die Sessel im Salon. Kurz darauf standen zwei
Polizisten in dunkelblauen Uniformröcken und mit Pickelhauben vor
der Tür, inspizierten den Tatort und ermahnten Anna und Dr.
Gerstner, nichts anzurühren. Mit ernsten Gesichtern patrouillierten
sie vor der Tür des Kontors auf und
ab.          
    Dann erschien der Leiter des
Polizeireviers von Elberfeld-Mitte, Kommissar Emil Hohenstein, den
Anna unter anderen Umständen spontan als Prototyp eines Wilhelms
eingestuft hätte. Er mochte um die fünfzig sein, seine Uniform saß
tadellos, er bewegte sich dynamisch auf federnden, etwas zu kurzen
Beinen. Seine blauroten, glänzenden Wangen mahlten, sein Mund war
von einem rötlichen Prachtstück von einem Schnauzbart bedeckt. In
seinem Gefolge befand sich ein ebenfalls uniformierter junger
Sergeant, unter dessen Pickelhaube, als er sie abnahm, zerzauste
dunkle Locken zum Vorschein kamen und schräg geschnittene braune
Augen, die er erstaunt aufriss, als er Anna sah.
    »Sergeant Blank, Hugo Blank,
vielleicht erinnern Sie sich, dass wir uns schon einmal begegnet
sind?«
    Als er ihr die Hand gab, fing sie an
zu zittern und zu schluchzen, bis ihr die Zähne aufeinander
schlugen. Er

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