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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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glatte
Haarsträhne hing. Sie schoben ihn in eine schwarz verhangene
Droschke, die auf dem Wall direkt unter dem erleuchteten
Firmenschild des Pelzhauses Salander wartete und trotz der späten
Stunde eine Gruppe Schaulustiger angezogen hatte. Hugo zog Anna,
die der Bahre folgen wollte, schnell wieder ins Haus zurück. Sie
lehnte sich an ihn und weinte, als würde ihr das Herz
herausgerissen.
    *
    Emma wurde von Dr. Gerstner ins
Klinikum am Arrenberg gebracht, Anna und Louise verbrachten den
Rest der Nacht im Salon und nickten irgendwann in ihren Sesseln
ein. Als die Kürschner um sieben zur Arbeit kamen, wachte Anna auf
und erkannte Louise kaum wieder. Ihr Haar war weiß geworden, ihr
Gesicht faltig und grau, die Augen lagen tief in den Höhlen. Sie
schreckte hoch und verfiel sofort wieder in das Wimmern, das seit
der Entdeckung des Toten unablässig aus ihr herauskam.
    »Ich wusste es, ich wusste, dass
etwas Schreckliches passiert«, flüsterte sie immer wieder, »sag
mir, dass es nicht wahr ist, sag mir, dass wir das alles nur
träumen.«
    Auch Anna hätte sich das gern
eingeredet, aber das polizeilich versiegelte Kontor, der immer noch
in der Luft liegende Bittermandelgeruch und die Anrufer, die hören
wollten, ob tatsächlich stimmte, was in Elberfeld als entsetzliches
Gerücht kursierte, konfrontierten sie immer wieder mit der
Realität.
    Gegen halb acht erschienen die
Polizisten, informierten die fassungslosen Angestellten über den
Mord und vernahmen sie einzeln in Schlipköters Kontor.
    Der Kürschnermeister war zuerst wie
erstarrt. Als er begriffen hatte, was passiert war, weinte er
heftig und konnte kaum mit den Polizisten reden. Immer wieder
beteuerte er, er könne sich nicht vorstellen, wer Pekka nach dem
Leben getrachtet haben könnte.
    »Wir haben gehört, dass Sie Ihre
Stelle aufgeben wollten«, nahm Hugo die Befragung auf, »welchen
Grund hatten Sie dafür?« 
    »Das Angebot von Tietz hat mich
gereizt, aber ich habe den Vertrag noch nicht unterschrieben«,
brachte Schlipköter stockend heraus.
    »Aber ganz offensichtlich hat es
doch ein Zerwürfnis zwischen Ihnen und Herrn Salander gegeben«,
insistierte Hugo, »das legen jedenfalls die Aussagen der anderen
Zeugen nahe.«
    Schlipköter quälte sich. »Das hat
vielleicht den Anschein gemacht, wir waren beide große Dickköpfe.
Manchmal sind wir wegen Kleinigkeiten aneinander
geraten.«
    »Haben Sie denn auch bemerkt, dass
es Herrn Salander nicht gut ging?«
    »Das kann wohl sein, aber ich weiß
nicht, warum, wir haben nicht über Privates gesprochen. Es ging ihm
immer mal wieder nicht gut, das lag wohl in seiner Natur, er hatte
einen Hang zur Schwermut.«
    Die restlichen Angestellten
bestätigten dies, und Gertrud Meier, die nach Elias am längsten in
der Kürschnerei arbeitete, ergänzte, dass Pekka stets launenhaft
gewesen sei und in Abständen immer wieder schlechte Phasen gehabt
habe.
    Dann übernahm Kommissar Hohenstein
das Verhör. »Verwenden Sie Zyankali für die Pelzveredelung? Nach
unseren Informationen braucht man es zum Färben.« Er schnarrte und
fixierte Schlipköter, der aber keine Regung zeigte.
    »Man kann es verwenden, aber wir tun
das nicht, es gibt auch andere Verfahren.«
    »Also haben Sie keins hier in der
Werkstatt?«
    »Nein.«
    »Aber Sie würden es im
Chemikalienhandel bekommen, wenn Sie es bestellen
würden?«
    »So wird es wohl sein, ich habe es
noch nicht ausprobiert.«
    Hohenstein war ungehalten, weil er
regelrecht an dem Kürschnermeister abprallte.
    »Sie können uns jederzeit
ansprechen, wenn Ihnen noch etwas einfällt«, sagte Hugo, »wir
sitzen ja gleich um die Ecke im Präsidium am Neumarkt. Natürlich
können Sie uns auch per Telefon erreichen.«
    Der Sergeant war für Anna eine große
Hilfe. Er war rücksichtsvoll und höflich, bemühte sich, auf ihren
Kummer einzugehen, beruhigte sie, wenn sie vor Angst zitterte, und
stellte ihr diskret seine Schulter zur Verfügung, wenn Weinkrämpfe
sie überfielen. Umso schlimmer fand Anna den schrecklichen Wilhelm,
wie sie Hohenstein für sich nannte, der ganze Mann war ihr ein
Gräuel, sein schnarrender Ton, seine herablassende Art, mit ihr
umzugehen. Ein Chauvinist und Preuße, wie er im Buche stand. Er
schien es als Zumutung zu empfinden, auf eine Frau wie Anna als
Ansprechpartnerin angewiesen zu sein, und auch sie machte nicht den
geringsten Hehl aus ihrer Abneigung.
    Nachdem die Angestellten und die
unmittelbaren Nachbarn vernommen waren, fragten die Kommissare

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