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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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»Bitte entschuldigen Sie die nächste Frage, aber ich
muss sie stellen. Glauben Sie, dass Ihr Vater außereheliche
Verhältnisse hatte?«
    »Ehrlich gesagt hätte ich es ihm
gewünscht, er war ein zärtlicher, liebevoller Mensch, und meine
Mutter war wirklich nicht besonders nett zu ihm. Aber wenn etwas
gewesen ist, hat er es sehr gut verborgen, ich weiß jedenfalls
nichts.« 
    »Wissen Sie noch etwas über die
Verwandtschaft Ihres Vaters? Aus was für einer Familie kam
er?«
    Anna kamen schon wieder die Tränen,
und sie ließ ihnen freien Lauf. »Es gibt oder gab die Schwester
Minna, das habe ich Ihnen ja schon gesagt. Er ist wohl schon mit
achtzehn aus Tampere weggegangen und hat bei Soderberg in Helsinki
angefangen, weil es zu Hause die Hölle war, so hat er es
ausgedrückt. Seine Mutter war früh gestorben und sein Vater ein
konservativer, harter Mensch, auch ein Pelzhändler. Er gehörte zu
den schwedisch sprechenden Finnen, und mein Vater fühlte sich zu
der oppositionellen finnischen Bewegung hingezogen. Er liebte
Sibelius, er konnte die ganze ›Finlandia‹ mitsingen. Von Helsinki
aus ist er wohl häufig nach Lappland gefahren, um dort Pelze
einzukaufen. Er hat den Norden sehr geliebt, sehr, sehr oft hat er
mir Geschichten von den Lappen erzählt, das waren die
allerschönsten.«
    »Verheiratet war er in Finnland
nicht?«
    »Natürlich nicht, das hätten wir
doch gewusst. Er war ja auch gerade erst fünfundzwanzig, als er
nach Elberfeld kam.«
    »Aber den definitiven Grund, warum
er aus Helsinki weggegangen ist und alles abgebrochen hat, wissen
Sie nicht?«
    Louise war hereingekommen, sie ging
gebückt, als trüge sie eine Zentnerlast auf dem Rücken, und
balancierte mit zitternden Händen ein Tablett mit Kaffeetassen und
Bergischem Zwieback. Ihre Stimme war brüchig wie die einer alten
Frau.
    »Das war ein schweres Thema für
Pekka, wir wissen nur, dass er seinen Vater hasste. Wahrscheinlich
wollte er nicht in seiner Nähe bleiben.«
    »Setzen Sie sich zu uns, Fräulein
Brüninghaus. Sie haben doch sehr eng mit Herrn Salander
zusammengearbeitet, Sie müssten eigentlich am genauesten über alles
Bescheid wissen, was ihn betraf. Vielleicht ist Ihnen ja inzwischen
eingefallen, ob vor dem Mord nicht doch etwas Außergewöhnliches
passiert ist. Die abwegigste, unbedeutendste Kleinigkeit kann
wichtig für uns sein. Gab es ungewöhnliche Kunden? Hat er sich über
irgendetwas geärgert? Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb es
ihm in der letzten Zeit nicht gut ging, wie Fräulein Salander
beobachtet
hat?«          
    »Er war privat meistens
verschlossen, und vom Geschäftlichen wusste ich nicht viel. Ich
habe mit ihm und Frau Kriebel zusammen den Verkauf gemacht, aber
die wichtigen, großen Kunden hat nur er bedient, und die
Kontobücher, die Bestellungen und all das war auch sein Bereich,
damit hatte ich nichts zu tun. Ich habe nur aufgeschrieben, wenn
etwas ausgegangen war, das nachbestellt werden musste.«
    Louise sah den Sergeanten nicht an,
sie sprach mechanisch, wie eine aufgezogene Puppe.
    »Mir ist nichts aufgefallen, es lief
alles seinen normalen Gang, er war ja sehr beliebt bei den Kunden.
Dass es ihm nicht gut ging, habe ich natürlich auch bemerkt, er
trank viel und zog sich sehr zurück. Aber was er hatte, weiß ich
absolut nicht. Nach meinem Eindruck hatte er Probleme mit dem
Älterwerden, er hat ein paar Mal darüber gesprochen, dass sein
fünfzigster Geburtstag nicht mehr weit sei, vielleicht war es das.
Außerdem hatte er oft Herzschmerzen, der Arzt hat allerdings nichts
Richtiges gefunden. Ich denke, dass er überarbeitet war, er hätte
dringend ausspannen müssen.«
    »Sind Ihnen weitere finnische
Kontakte von Herrn Salander bekannt, außer der Verbindung zu Herrn
Soderberg?«
    Louises Hände zitterten so, dass sie
die Kaffeetasse absetzen musste, aber ihr Tonfall blieb gleich.
»Ich weiß nicht mehr als Anna. Ich habe meine Arbeit getan und die
Kunden bedient, außer mit Herrn Soderberg, der ja auch zweimal hier
in Elberfeld war, habe ich mit keinem Finnen jemals zu tun
gehabt.«
    Anna schaltete sich ein. »Von den
geschäftlichen Dingen weiß ich auch wenig, mein Vater wollte mich
in alles einarbeiten, dazu ist es ja nun nicht mehr gekommen. Ich
weiß nur, dass Herr Soderberg ihm vor relativ kurzer Zeit den
Vorschlag gemacht hatte, gemeinsam in Finnland eine Pelztierzucht
zu gründen, weil in Lappland anscheinend die Felle knapp werden und
die Preise immer mehr steigen. Er

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