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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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hat Onkel Eli doch
geredet.«
    »Hoffentlich haben sie ihn nicht zu
sehr unter Druck gesetzt, ich mache mir Sorgen, er kann das alles
doch gar nicht
aushalten.«       
    »Der Herr Sergeant freut sich auf
das Wiedersehen.« Anna reichte Lina das Telegramm und
kicherte.
    Ulla Soderberg erschien auf der
Veranda und kündigte an, dass am Abend die Sauna angemacht werde.
»Bevor man nicht in der Sauna war, ist man noch nicht richtig in
Finnland angekommen. Minna kommt auch, so gegen sieben, haben wir
gesagt.«
    »Wir müssen uns um Riikka kümmern«,
sagte Anna, als Ulla Soderberg verschwunden war. »Ich weiß bloß
nicht, wie wir es anstellen sollen. Nach allem, was Tante Minna
gesagt hat, ist sie ja wohl ein harter Brocken. Und dass sie Papa
gehasst hat, steht nach meinem Eindruck außer Frage. Bringt man
seinen Vater dafür, dass er einen verlassen hat, mit Zyankali um?
Hältst du so etwas für möglich?«
    »Um das beurteilen zu können, müsste
man sie zumindest kennen«, sagte Lina, »wir wissen ja gar nicht,
was sie für ein Typ ist.«
    »Ich habe schon überlegt, ob wir
einfach hingehen sollen. Sie müsste ja Deutsch sprechen, wenn sie
es unterrichtet, reden könnten wir also mit ihr.«
    »Vielleicht wirft sie uns raus, ich
glaube, damit müssen wir rechnen.« Lina saß in einem geflochtenen
Schaukelstuhl, sie lehnte sich zurück und schaukelte hin und
her.
    »Oder sie lässt uns gar nicht erst
rein. Aber einen Versuch ist es wert.«
    »Dann lass es uns gleich tun, es ist
noch reichlich Zeit, bis Minna kommt.« Lina schwang sich hoch. »Wir
gehen einfach mal vorbei und gucken, was passiert.«
    Sie gingen zu einem Droschkenstand
und ließen sich in die Georgsgatan bringen. »Solange wir
zusammenbleiben, kann uns nichts passieren«, sprachen sie sich
gegenseitig Mut zu. 
    Beklommen standen sie vor dem
fünfstöckigen Mietshaus, in dem Annas Schwester wohnen musste, und
sahen an der Fassade hoch. In einem Fenster der zweiten Etage
bewegte sich die Gardine. Lina fasste sich ein Herz und drückte die
hohe, mit Schnitzereien verzierte Haustür auf, mit klopfenden
Herzen schlichen sie durch das Treppenhaus und kontrollierten die
Namen auf den Türschildern. Auf dem zweiten Treppenabsatz stand der
Name Tun unter dem
Klingelknopf aus Messing. Sie drückten und erschraken über das
schrille Läuten. Aus der Wohnung war ein Rumpeln zu hören, dann ein
Geräusch, als werde leise eine Tür zugezogen, danach war es
totenstill. Sie sahen sich an, blass vor Aufregung, und als sich
nach wenigen Minuten nichts getan hatte, schlichen sie wieder die
Treppe hinunter zu der wartenden Droschke.
    »Sie war da«, flüsterte Lina, »ganz
klar war da jemand zu Hause. Sie muss uns vom Fenster aus gesehen
haben. Aber jetzt wissen wir wenigstens, wie sie gestrickt ist.
Gut, dass unsere Polizisten im Anmarsch sind, der Gedanke beruhigt
mich immer mehr.«
    »Sie scheint eine dumme Kuh zu sein,
das muss man doch erst mal bringen, seine Schwester einfach vor der
Tür stehen zu lassen.« Anna war verletzt. »Auf jeden Fall finde
ich, dass sie keinen guten Eindruck macht.«
    Sie fuhren zurück und beschlossen,
Minna vorerst nichts von diesem Besuch zu sagen. 
    Riikka
    Da steht sie doch tatsächlich vor
der Tür, das Zuckerpüppchen aus dem Land, wo Milch und Honig
fließen. Sie denkt wohl, sie braucht hier bloß aufzutauchen, und
alle schreien Hurra, wie schön, dass du da bist. Die Spuren ihres
Vaters will sie suchen, hat Minna gesagt, das soll sie mal schön
tun, aber nicht bei mir, da wird sie nichts finden. Er hat keine
Spuren hinterlassen, und wenn, hätte ich sie schon lange
ausgelöscht. Ich habe nie etwas von ihm gesehen außer diesem
dämlichen Brief, den ich Minna sofort zurückgegeben habe. Meine
Anna, Riikka, ist ein sehr nettes Mädchen, sie könnte dir eine
Schwester sein, ich könnte mit ihr nach Helsinki kommen, damit du
sie kennen lernst und unsere Familie wieder zusammenkommt. Unsere
Familie, was der sich gedacht hat. Matte ist meine Familie und
natürlich Minna, ein bisschen auch Oleg, sonst ist ja sowieso
niemand mehr da. Ich denke nicht daran, mir plötzlich eine
Schwester zuzulegen, schließlich bin ich sechsundzwanzig Jahre ohne
sie ausgekommen. Eine Modetante aus dem Wunderland, das sieht man
sofort. Bei denen ist ja sowieso alles viel größer und schöner als
bei den dummen Finnen, in dem Kaiserland, dem Land der Alleskönner, wo die Säbelrasseier und
Kriegstreiber das Sagen haben und die fortschrittlichen

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