Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
Vom Netzwerk:
geklingelt, aber sie hat uns nicht
aufgemacht, obwohl sie da war, jedenfalls hatten wir den Eindruck.
Das ist doch nicht normal.«
    »Wenn ihr wüsstet, wie verzweifelt
ich bin, ich finde überhaupt keinen Zugang mehr zu ihr. Ich habe
sie eigentlich nicht mehr gesehen, seitdem ihr euch angekündigt
habt, sie geht mir aus dem Weg, sie nimmt es mir übel, dass ich
dich sehe, Anna.« Minna schluchzte und wischte sich die Augen. »Sie
ist schwierig, sie ist ein komplizierter Mensch, aber so etwas kann
sie nicht getan haben, eine solche Tat kann ich ihr einfach nicht
zutrauen.«
    »Aber sie macht sich doch große
Probleme, wenn sie sich so abweisend zeigt, da fragt man sich doch,
welchen Grund sie hat.«   
    »Das ist wahr«, seufzte Minna, »da
muss man misstrauisch werden. Ich gehe noch heute Abend zu ihr,
vielleicht kann ich sie ja doch noch zur Vernunft
bringen.«
    *
    Die Augen sind identisch, dachte
Sergeant Blank, und die Art, den Kopf zurückzuwerfen, der gleiche
trotzige Ausdruck, obwohl sie sich nie im Leben begegnet
sind.
    Riikka Turi saß kerzengerade vor
ihnen auf der Stuhlkante und sah stur auf die Wand, ihr schwarzes,
glatt auf die Schultern fallendes, in der Mitte gescheiteltes Haar
hing halb über ihrem Gesicht und bedeckte es wie ein Vorhang. Minna
war an diesem Morgen auch gekommen, sie wirkte übernächtigt und
servierte Kaffee und Gebäck, bemüht, Riikkas abweisende Haltung
gegenüber den Polizisten durch besondere Freundlichkeit
wettzumachen.
    Der blonde finnische Kommissar Eino
Plosila wirkte blutjung und schüchtern, und Kommissar Hohenstein
hatte ihm zunächst keinerlei kriminalistische Fähigkeiten
zugetraut. Am Vorabend waren sie im Labor des Polizeipräsidiums
gewesen und hatten alles, was am Tatort in Elberfeld sichergestellt
worden war, zur kriminaltechnischen Untersuchung abgegeben. Das
Labor der finnischen Polizei war ausgesprochen modern ausgestattet
und rief Hugos tiefste Bewunderung hervor. In Preußen könne man von
so etwas nur träumen, vertraute er seinem finnischen Kollegen an,
ohne dass Hohenstein es hören
konnte.        
    Dann waren sie im Büro von Kommissar
Plosila den Fall durchgegangen, und Hohenstein musste sein
Vorurteil über den finnischen Kollegen revidieren. Die Akte war
tadellos geführt und wies keine Lücken auf. Soderbergs, Minna
Salander und Riikka Turi waren vernommen worden, und man hatte
ihnen Fingerabdrücke abgenommen, außerdem hatte man nach dem Lappen
Nilas Niolpas gefahndet, der aber Mitte April in den Norden
gegangen und zurzeit nicht aufzufinden war. »Da das Paket Anfang
Mai in Helsinki aufgegeben wurde, kann er es nach dieser zeitlichen
Abfolge nicht gewesen sein«, hatte Plosila in bestem, wenn auch
akzentreichem Deutsch resümiert.
    Riikka Turi behauptete zunächst,
kein Deutsch zu können, sodass Plosila und Minna das Gespräch
übersetzen mussten.
    »Wir fragen uns natürlich«, setzte
Hohenstein an, »woher das Zyankali stammen könnte. Es ist ja ein
Gift, das in der Pelzveredelung zum Einsatz kommt, und wir wissen,
Fräulein Turi, dass Ihre Familie aus Lappland stammt und mit Fellen
gehandelt hat.«
    »Das ist zweiundzwanzig Jahre her,
das habe ich der Polizei bereits gesagt. Hier in Finnland haben im
Übrigen viele Leute mit Pelzen zu tun, fragen Sie doch Herrn
Soderberg.«
    Hohenstein war dabei, die gute
Laune, die sich seit seiner Ankunft in Helsinki eingestellt hatte,
wieder zu verlieren, diese Salander-Tochter war womöglich noch
unverschämter als die andere.
    »Nach allem, was wir wissen, ging
Herr Salander damals nach einer Familientragödie aus Lappland und
dann auch aus Finnland fort, es soll sich um einen Unglücksfall
gehandelt haben, bei dem es wohl auch Tote gegeben hat.«
    Hugo bemühte sich vergeblich,
Blickkontakt zu Riikka aufzunehmen.
    »Mein Vater ging, als ich vier war,
welchen Wert kann wohl die Wahrnehmung eines so kleinen Kindes
haben? Mein Vetter und mein Onkel wurden damals von einer
Rentierherde getötet, das ist es, was ich weiß. Ich habe
verschwommene Bilder von Entsetzen, von Schreien und Weinen in mir,
mehr nicht. Und ich weiß noch, wie mein Vater wegging. Aber warum
und weshalb, das weiß ich bis heute nicht, meine Mutter hat es mir
nicht erzählt und mein Onkel auch nicht, er konnte darüber nicht
sprechen, und was soll man auch einem Kind erzählen, wenn so etwas
Grauenhaftes passiert.«
    »Ihre Mutter lebt nicht mehr, ist
das richtig?«
    »Sie starb vor sechzehn
Jahren.«
    »Und Ihr Onkel?«
    »Den

Weitere Kostenlose Bücher