Die Reise Nach Helsinki
müssen Sie in Lappland suchen«,
antwortete Riikka schnell. »Er wird ganz im Norden unterwegs sein,
da ist er um diese Zeit mit seinen Tieren am liebsten, er geht oft
auf norwegisches Gebiet in die Berge, auch wenn das den Lappen
verboten ist. Wenn Sie wollen, können Sie da gerne nach ihm
fahnden, ich bezweifle nur, dass Sie ihn finden werden.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt
gesehen?«
»Er war im Winter bei uns«,
antwortete Riikka ausweichend, »irgendwann Anfang Mai ist er wohl
wieder gegangen.«
»Bitte fordern Sie sie auf, exakte
Auskünfte zu geben und die Wahrheit zu sagen«, bellte Hohenstein in
Richtung Plosila. »Wir brauchen genaue Angaben. Wann ist er
gegangen und wohin?«
»Ich sage die Wahrheit, und ich
brauche mich von einem Deutschen nicht der Lüge bezichtigen zu
lassen.«
Riikka sprach plötzlich ein hartes
Deutsch, ihr sichtbares Auge funkelte, aber sie sah weiter gegen
die Wand.
Hohenstein wurde rot, und Hugo
unterdrückte ein Grinsen.
»Riikkas Onkel Matte ist nicht immer
ganz gesund«, beeilte sich Minna, die Wogen zu glätten. »Im Winter
wird er schwermütig, wie viele Finnen, es ist eine Art
Volkskrankheit. Dann nehmen wir ihn zu uns. Im Sommer lebt er mit
seiner Herde, wie er es all die Jahre getan hat.«
»Sie haben ein gutes Verhältnis zu
Ihrem Onkel?«
»Er hat mir den Vater und die Mutter
ersetzt«, blaffte Riikka, »ohne ihn wäre ich wohl in Lappland
erfroren. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
»Aber wir wissen immer noch nicht,
wann er Helsinki verlassen hat.« Hohensteins Ton war militärisch,
er sah aus, als würde er Riikka am liebsten an dem Haarvorhang von
der Stuhlkante zerren.
»Es war in den ersten Tagen des
Mai«, versicherte Minna schnell, »ich glaube, wir haben ihn am 7.
oder 8. in den Zug nach Oulou gesetzt, von dort aus ist er mit der
Postkutsche weiter nach Inari gefahren.«
»Also nach dem 6. Mai«, knurrte
Hohenstein, »ist das richtig?«
Hugo Blank versuchte, die Situation
zu entspannen, und schlug einen demütigen Ton an. »Wir müssen uns
mit der Tatsache beschäftigen, Fräulein Turi, dass irgendjemand in
Finnland ein Motiv gehabt haben muss, Ihren Vater um sein Leben zu
bringen. Er ist im Streit von Ihrer Familie fortgegangen, da kommen
wir nicht umhin, nachzufragen.«
»Mein Vater heißt Matte Turi«,
zischte Riikka, dann feuerte sie eine finnische Kaskade auf
Kommissar Plosila ab und stand auf, das Gesicht immer noch halb
verhängt. Mit deutlicher Ungeduld sah sie auf die ungebetenen
Besucher und auf die Tür, es fehlte nur noch eine Handbewegung, mit
der sie sie hinausgescheucht hätte. Minna sagte tadelnd etwas zu
ihr.
»Fräulein Turi sagt, niemand, der
ihr bekannt sei, könne Herrn Salander nach dem Leben getrachtet
haben, schon allein deshalb, weil niemand sich für ihn interessiert
habe. Auch seine Adresse sei nicht bekannt gewesen, die habe nur
Herr Soderberg gekannt, sie selbst habe sie niemals wissen wollen.
Minna Salander habe sie früher einmal gehabt, aber schon vor langer
Zeit fortgeworfen. Und mehr, sagt sie, wolle und könne sie dazu
nicht sagen«, übersetzte Plosila. Auch ihm schien das Benehmen
Riikkas vor den deutschen Polizisten peinlich zu sein.
Er sagte noch einmal etwas zu ihr,
und Riikka fauchte eine Antwort, dann ging sie hinaus und warf die
Tür zu.
»Was haben Sie zu ihr gesagt?«,
raunte Hugo dem finnischen Kollegen zu, während Hohenstein wütend
vor ihnen durch das Treppenhaus stampfte.
»Dass wir Schriftproben nehmen
werden, von ihr und von ihrer Tante.«
»Und, was hat sie
geantwortet?«
Plosila grinste. »Das kann ich nicht
übersetzen, das ist zu - wie sagt man im Deutschen -
unflätig?«
»Ist das typisch für finnische
Frauen? Die andere Salander-Tochter ist ja von ähnlichem
Kaliber.«
»Nein, nein, alle sind sie nicht so,
Fräulein Turi ist schon ein sehr besonderer Fall. Aber nach allem,
was ich weiß, sind unsere skandinavischen Frauen doch etwas
selbstbewusster als die mitteleuropäischen, was meinen
Sie?«
»Mit Sicherheit, aber das wird bei
uns auch kommen, es gibt eine recht aktive Frauenbewegung. Und das
ist ja auch gut so, wenn Sie mich fragen, sind die selbstbewussten
Frauen doch viel interessanter.«
»Zweifellos«, lächelte Plosila,
»aber man kann sich an ihnen auch ganz schön die Zähne
ausbeißen.«
*
»Das deckt sich alles mit den
Aussagen Soderbergs, das mit der Adresse und auch mit dem Brief vor
zehn Jahren«, sagte Kommissar Plosila, nachdem sie sich in einem
Lokal mit
Weitere Kostenlose Bücher