Die Reise Nach Helsinki
unangenehm
war.«
»Diese Emanzen«, giftete Hohenstein,
»diese Weibsbilder, die glauben, sie könnten alles auf den Kopf
stellen, Ehe und Familie infrage stellen, verheiratete Männer
verführen, diese modernen Strömungen, damit haben Sie ja hier in
Skandinavien wohl noch viel mehr zu tun als wir in Deutschland.
Diese Damen wirbeln unsere gesamte Ordnung durcheinander, wenn Sie
mich fragen, ein Tohuwabohu richten die an.«
»Ein was, bitte?« Eino Plosila war
irritiert.
Hugo ging über den Einwurf hinweg
und bekräftigte, dass Linas Glaubwürdigkeit bisher nicht in Zweifel
stehe.
»So weit man solche Personen
grundsätzlich für glaubwürdig halten kann«, warf Hohenstein ein,
»zu einem Ehebruch muss man ja auch erst mal abgebrüht genug
sein.«
Hugo bedachte ihn mit einem
tadelnden Blick und wandte sich wieder an Plosila. »Diese Fakten
haben sich erst kurz vor unserer Abreise herausgestellt, sonst
hätten wir natürlich in Elberfeld noch weiterermittelt, zum
Beispiel die Ehefrau mit dem Ehebruch konfrontiert.«
»Und keine der beteiligten Personen
hatte Kontakte nach Finnland? Ist es nicht denkbar, dass die
betrogene Ehefrau oder auch der Onkel von Fräulein Pasche den Mord
sozusagen in Auftrag gegeben und diesen Weg gewählt hat, urtrden
Verdacht in eine falsche Richtung zu lenken?«
»Denkbar ist natürlich alles«, sagte
Hugo, »aber wir haben noch keinen Weg gefunden, auf dem sie das
hätten bewerkstelligen können. Wenn, dann müssten sie alle Spuren
perfekt beseitigt haben, wir konnten keinerlei Korrespondenz oder
andere Indizien sicherstellen, die in diese Richtung weisen. Soweit
wir wissen, hat Emma Salander auch alles Finnische vehement
abgelehnt.«
»Und die Geliebte? Kann es nicht
auch sein, dass er sie verlassen und sie sich auf diese Weise
gerächt hat?«
»Da stehen wir vor dem gleichen
Problem. Welche Verbindung könnte sie nach Finnland gehabt haben?
Herr Salander hat nach der Aussage aller Beteiligten außerdem vor
der Tat durchaus den Eindruck eines verlassenen Liebhabers gemacht,
er soll sehr unglücklich gewesen sein.«
Eino Plosila rieb sich die Nase, er
dachte angestrengt nach. »Dann sieht alles danach aus, als hätten
wir die absurde Situation, dass in Deutschland die Motive liegen
und in Finnland der Täter zu suchen ist oder die Täterin.
Vielleicht bringt uns ja der Abgleich der Fingerabdrücke weiter,
außerdem müssen wir Schriftproben nehmen. Da kommen zunächst mal
Herr und Frau Soderberg infrage, dann natürlich Fräulein Turi und
Frau Minna Salander. Und der Onkel, aber den machen wir womöglich
vor dem Herbst gar nicht ausfindig. Ich werde aber nochmals den
Kollegen in Inari telegrafieren, vielleicht wissen sie
etwas.«
»Aber in Finnland finden wir ja auch
reichlich Motive«, warf Hohenstein ein, »Herr Salander hat das Land
ja nicht im Frieden verlassen, und wenn ich an dieses Fräulein Turi
denke, unter uns gesagt traue ich der alles zu.«
»Ich rekapituliere noch einmal
unsere Erkenntnisse.« Plosila setzte sich in Positur. »Mögliche
tatauslösende Ereignisse haben wir in der Tat auch reichlich zu
bieten, das Problem ist nur, dass sie zweiundzwanzig Jahre
zurückliegen. Herr Salander wurde von der Familie seiner Frau
beschuldigt, an einem Unglück schuld zu sein, das zwei
Familienmitglieder das Leben kostete. Daraufhin setzte er sich nach
Deutschland ab, und die Familie, vor allem die Tochter, strich ihn
wohl aus dem Gedächtnis oder versuchte dies zumindest. Natürlich
wissen wir nicht, was all die Jahre in Fräulein Turi geschwelt hat, sie macht nicht den Eindruck, als
hätte sie ihren Frieden mit ihrem Vater gefunden. Ich sehe nur den
Auslöser nicht. Vor zehn Jahren hätten wir vielleicht einen gehabt,
als ihr Vater versucht hat, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Minna
Salander hat mir erzählt, dass sie damals mit heftigem Fieber
reagiert hat, so gleichgültig, wie sie tut, scheint der Vater ihr
also nicht gewesen zu sein. Es bleibt aber immer noch die Frage:
Warum gerade jetzt? Was das Gift betrifft, so hatte sicher Herr
Soderberg die besten Möglichkeiten, über die Kürschnerei daran zu
gelangen, aber ich würde nicht ausschließen, dass beispielsweise
Fräulein Turi auch eine Gelegenheit hätte finden
können.«
»Soderberg müsste ein sehr guter
Schauspieler sein, wenn er etwas mit der Sache zu tun hätte«,
schaltete Hugo sich ein, »immerhin beherbergt er jetzt die Tochter
des Opfers. Und ein Motiv sehe ich bei ihm schon gar nicht,
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