Die Reise Nach Helsinki
auch geglaubt haben, wir dummen Schafe. In
Wirklichkeit war es einfach so, dass Pekka, wenn er in den neuesten
Zeitschriften geblättert hatte, in Windeseile einen Schnitt
entwerfen konnte, dazu brauchte er keinen Zeichner. Mich beschlich
immer mal wieder der Gedanke an eine andere Frau, und ich sprach
einmal mit Emma darüber, aber sie wischte es weg, sie fand, er sei
freundlicher und umgänglicher geworden, und in der Tat beobachtete
ich, dass er sie wesentlich aufmerksamer behandelte als sonst. Da
schrillten bei mir noch mehr die Alarmglocken.
Mir ging es immer schlechter, ich
schlief kaum, schon morgens im Bett fühlte ich mich bleischwer, mir
wurde übel von dem Geruch der Pelze, der Tag war lang und öde und
hellte sich auch nicht auf, wenn Pekka erschien, im Gegenteil, wenn
er da war, wurde ich noch stärker mit seiner Zurückweisung
konfrontiert. Im Winter dachte ich oft, die Wände des Hauses würden
einstürzen, aus jeder Ecke kroch Kälte und Einsamkeit. Zu dieser
Zeit verschrieb Dr. Gerstner mir die Opiumtropfen, selten habe ich
etwas als einen solchen Segen empfunden. Ich konnte wieder
schlafen, und die Traurigkeit ließ nach, das Problem war nur, dass
ich ohne Tropfen bald gar nicht mehr existieren konnte. Emma wurde
träge, sie stand spät auf und lag mittags zwei, drei Stunden im
Bett, klagte trotzdem über starke Schlafprobleme und bekam
Paraldehyd und Brom. Über Pekka beklagte sie sich allerdings so
wenig wie seit Jahren nicht mehr, nach meinem Gefühl war sie froh,
dass er sie in Ruhe ließ. Sie nahm zu, während ich immer mehr
abmagerte, die Tropfen nahmen mir jeden Appetit. Morgens sah ich
mich im Spiegel und dachte, dass ich mich gar nicht mehr in den
eleganten Laden stellen dürfte, dass ich das Geschäft schädigen
würde, grau, schäbig und dürr, wie ich war. Ich überlegte, Pekka um
einen Urlaub zu bitten, aber dann fürchtete ich, er werde
freudig zustimmen und die Gelegenheit
nutzen, mich loszuwerden. Else Kriebel stand sowieso in den
Startlöchern, um meine Position zu übernehmen, außerdem sprach
Pekka davon, eine weitere Verkäuferin einzustellen, bei der Größe
des Geschäftes sei das dringend notwendig. Eine junge, attraktive
wird er wollen, dachte ich bei mir, eine, mit der er im Geschäft
repräsentieren kann, nicht so eine graue Maus wie Louise
Brüninghaus. Ich wehrte mich dagegen mit Händen und Füßen und
arbeitete immer mehr, damit er sein Vorhaben bloß nicht in die Tat
umsetzte. Wir schaffen doch alles, Pekka, sagte ich, wozu sollen
hier so viele Leute rumlaufen, da tritt man sich doch nur
gegenseitig auf die Füße. Er merkte nicht, dass ich sechzehn
Stunden am Tag auf den Beinen war, weil er sich ja, wie schon
gesagt, an den meisten Abenden gegen sechs davonmachte und es mir
überließ, den Laden abzuschließen. Die Kasse stellte ich ihm in den
Tresor im Kontor, er hat sie wohl nachts, wenn er nach Hause kam,
noch gemacht, denn morgens, wenn ich den Laden aufschloss, war
alles erledigt.
Ich war mir immer sicherer, dass
eine Frau hinter all dem steckte, und zwar eine, mit der es etwas
Ernstes war, bei der er eine neue Heimat gefunden hatte. Ich
fürchtete, ihn ganz zu verlieren, und deshalb fing ich an, in
seinen Sachen herumzuschnüffeln, seinen Schreibtisch zu
durchforsten und seine Kleidung zu kontrollieren. Ich schämte mich,
schon während ich es tat, heute noch wird mir ganz heiß, wenn ich
darüber nachdenke. Es dauerte nicht lange, bis ich fündig wurde.
Das Foto fiel mir beim Ausbürsten seines Jacketts in die Hände,
ganz abgegriffen war es und steckte in der inneren linken
Brusttasche, an seinem Herzen. In Liebe, Lina. Und dann dieses
liebliche Madonnengesicht. Ich weiß gar nicht, warum es mir einen
solchen Schlag versetzt hat, vielleicht weil ich sie immer für die
Unschuld vom Lande gehalten hatte, sie tat, als könne sie kein
Wässerchen trüben. Schon damals, als sie bei uns arbeitete, merkte
ich, dass Pekka einen Narren an ihr gefressen hatte, so, wie er
strahlte, wenn sie auftauchte. Aber das tat er ja bei vielen
Frauen, und ich konnte mir einreden, dass er sie mochte, weil sie
freundlich und eine gute Verkäuferin war, und das war sie, das muss
ich ihr lassen. Als sie damals gekündigt hatte, setzte ich alles
daran, dass Pekka von den vielen Bewerberinnen Else Kriebel
einstellte, weil sie die unscheinbarste war, sie sei fachlich die
qualifizierteste, sagte ich ihm, und wirke auf mich am angenehmsten
und seriösesten. Nun gut, Louiss, du musst mit
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