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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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im
Gegenteil, mit Pekka Salander ist ihm ein guter Handelspartner
verloren gegangen, er hat ihm Waren in erheblichen Mengen
geliefert. Salander hat auch immer prompt bezahlt, das geht aus den
Unterlagen hervor, die wir sichergestellt haben.«
    »Wenn ich jetzt die Schwester des
Opfers, bei der ich ebenfalls kein Motiv sehen kann, mal
ausklammere, bleibt der Onkel, Matte Turi«, fuhr Plosila fort. »Er
hat Sohn und Bruder bei dem damaligen Unglücksfall verloren, und
alles klingt danach, als mache die Familie Turi Pekka Salander
komplett dafür verantwortlich. Natürlich bleiben auch bei Turi,
mehr noch als bei allen anderen, die Fragen offen, woher er die
Adresse haben und wie er an das Gift gekommen sein könnte, und
warum er es ausgerechnet jetzt getan hat und nicht schon vor vielen
Jahren.«
    Hugo hob die Hand. »Mir fällt etwas
zu der Adresse ein, das wir noch nicht bedacht haben. Sie klingt
ja, als sei sie von einer Annonce oder etwas Ähnlichem
abgeschrieben. Salander hat doch sicher in Zeitungen inseriert,
kann jemand nicht auch da die Adresse abgeschrieben
haben?«
    »Das ist gut möglich«, sagte
Plosila, »damit hätten wir aber nicht die Frage beantwortet, wie
eine Elberfelder Zeitung nach Finnland
kommt. Wir müssen Soderberg nach dieser Möglichkeit
fragen.«
    »Ich hatte übrigens den Eindruck,
dass Riikka ihren Onkel schützen wollte«, sagte Hugo, »ich bin
nicht sicher, ob er wirklich so unauffindbar im Norden verschwunden
ist.«
    »Dieser Matte Turi ist das eine
Rätsel.« Eino Plosila beugte sich nach vorn. »Das zweite ist der
seltsame Russe. Es könnte jemand vom Geheimdienst sein, aber wir
haben hier in Finnland auch viele russische Anarchisten, die
geflohen sind und bei uns Unterschlupf suchen. Fräulein Anna
Salander und Fräulein Pasche müssten mit uns die Fotokarteien
durchschauen, mal sehen, ob wir ihn da finden.«
    Kommissar Hohenstein hatte sein
zweites Bier ausgetrunken und äußerte den Wunsch nach einem
Mittagsschlaf im Hotel. Hugo und Eino Plosila wollten sich
informieren, wie weit die Kollegen im Polizeilabor mit der
Spurensicherung an den Tatwerkzeugen gekommen waren.
    »Wir sind am Donnerstag übrigens zu
einem Picknick eingeladen«, sagte Hugo, »in einem finnischen
Sommerhaus in der Nähe von Helsinki, bei einer Freundin von Minna
Salander. Wenn Sie mitkommen wollen, wäre das sicher sehr
schön.«
    »Das tue ich gerne. Ich bin übrigens
Eino.« Plosila hob sein Glas und prostete den Kollegen zu. »Hier in
Finnland duzt man sich, wenn man zusammenarbeitet.«
    Hugo wirkte erfreut, aber Hohenstein
sah aus, als habe er Zahnschmerzen.
    »Emil«, quetschte er schließlich
hervor, »du kannst Emil zu mir sagen.« 
    Bad Neuenahr, den 19. Juni
1912
    Wie sehr Pekka seine finnische
Vergangenheit immer noch beschäftigt hat, ist mir so richtig erst
vor zehn Jahren klar geworden, als er mit dir nach Helsinki wollte.
In seine Pläne war nur ich eingeweiht, Emma sollte erst mal nichts
davon wissen. Er war sehr aufgeregt und wartete, nachdem er
Soderberg von seinen Absichten geschrieben hatte, täglich auf die
Antwort. Er wollte dich mit den Schiffskarten überraschen, sobald
er die Zusage hatte. Sie wird ihre Tante und ihre Schwester kennen
lernen, sie wird die Mitternachtssonne sehen und unser schönes
Helsinki, den Dom, den Sommerhimmel, malte er sich immer wieder
aus, Blaubeeren wird sie essen und frische Pfifferlinge, sie wird
in die Sauna gehen und in unseren wunderbaren Seen schwimmen. Sechs
Wochen wollte er mit dir dableiben, die ganzen Sommerferien. Als
sich dann herausstellte, dass weder seine Schwester noch seine
Tochter ihn sehen wollten, war er wie von Sinnen, ich habe ihn
selten so unglücklich erlebt. Sie wollen mich nicht, sie haben mich
einfach ausgelöscht, Louiss, es ist mir so, als würde ich wirklich
ein Stückchen sterben. Ich weiß nicht, wofür sie mich strafen
wollen. Vielleicht, weil ich sie im Stich gelassen habe, alle
beide, meine Minna und meine kleine Riikka. Er weinte, wenn er so
sprach, und war vollkommen außer sich. Es war weise Voraussicht,
dass er Emma nicht eingeweiht hatte, sie hätte sich über diese
Demütigung ins Fäustchen gelacht. Welchen Trost sollte ich ihm
geben? Wenn einen die eigene Schwester und die eigene Tochter aus
ihrem Leben streichen, was Schlimmeres kann es doch gar nicht
geben.   
    Wir waren ja dann alle zusammen im
Schwarzwald, vielleicht erinnerst du dich an diesen schrecklichen
Urlaub. Deine Eltern sprachen kaum miteinander, und

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