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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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Elberfeld war und zusammen mit Ihrer Nichte und Fräulein
Pasche auf dem Schiff zurückgefahren ist?«
    Minna sah überrascht auf. »Dann war
er also dieser Russe, von dem Anna gesprochen hat? Das wusste ich
nicht, ich habe aber auch seit Monaten nicht mit ihm gesprochen.
Ich habe nur gehört, dass er vor ein paar Tagen aus Reval
zurückgekommen ist. Jemand aus der Partei sollte zu einem
internationalen Treffen der Sozialisten nach Deutschland fahren,
das wusste ich, aber ich wusste nicht, dass die Wahl auf Oleg
gefallen ist.«
    Sie sah Hugo an. »Als ich hörte,
dass jemand nach Barmen geschickt werden sollte, habe ich sehr mit
mir gekämpft, ob ich mich darum bewerben sollte, mein Bruder lebte
ja in unmittelbarer Nachbarschaft. Natürlich hätte es mich sehr
gereizt zu fahren, das können Sie sich vorstellen. Aber dann dachte
ich, dass ich das Riikka nicht antun könnte. Außerdem glaube ich
ohnehin nicht, dass sie eine Frau geschickt hätten.«
    »Aber Sie hätten es doch erfahren
müssen, dass er gefahren ist, wenn Sie in der Partei aktiv
sind.«
    »Es war so«, sagte Minna, »dass wir
Frauen von der SDP uns zu dieser Zeit mit den Männern sehr
gestritten haben, weil sie immer nur ihre Interessen verfolgen und
uns lediglich zum Kaffeekochen benötigen. Da haben wir uns
vorgenommen, unsere eigenen Versammlungen abzuhalten und unsere
eigenen politischen Ziele zu verfolgen, ohne die Männer. Deshalb
sind wir dann auch von sämtlichen Informationen abgeschnitten
worden, sie haben uns regelrecht als Feindinnen betrachtet. Dass
Oleg gefahren ist, wusste ich nicht, wirklich nicht. Matte war ja
Anfang Mai weg, da hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm, und mit
Riikka habe ich auch kaum gesprochen. Er muss ja genau zu der Zeit
in Deutschland gewesen sein, als es passiert
ist.«   
    »Genau zu der Zeit, als das tödliche
Paket aus Helsinki in Elberfeld ankam«, bestätigte Eino.
    »Oleg hat damit nichts zu tun,
niemals, das kann nicht sein.« Minna schluchzte immer noch, an
ihren verkrampften Händen traten die Knöchel weiß hervor. »Und es
ist doch auch mit der Post angekommen, sagten Sie das nicht? Das
alles ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«
    »Anna hat ihn kurz vor dem Mord
gesehen, wie er den Laden in Elberfeld beobachtet hat. Haben Sie
dafür eine Erklärung?«
    »Nein«, flüsterte Minna, »das habe
ich nicht.«
    »Oleg Skrijabin ist heute Morgen mit
einem Lappen auf der Esplanade gesehen worden«, sagte Hugo, »sind
Sie ganz sicher, dass Matte Turi nicht in Helsinki ist?«
    »Wie soll ich sicher sein, er ist
ein erwachsener Mensch, er kann gehen, wohin er will.« Minnas
Stimme war tonlos. »Ich weiß aber, dass Oleg auch andere Menschen
behandelt, womöglich ist noch ein anderer Lappe
dabei.«       
    »Sie haben Matte Turi in diesen
Tagen jedenfalls nicht gesehen«, stellte Eino fest, »kann ich das
so zu Protokoll nehmen?«
    »Ja«, sagte Minna und fasste sich
wieder etwas. »Ich bitte Sie nur, mir eins zu versprechen. Falls
Matte etwas mit der Sache zu tun haben sollte, behandeln Sie ihn
gut, auch wenn er der Mörder meines Bruders ist. Wir haben ihn
einmal in eine Anstalt gebracht, als es so schwierig mit ihm war,
das hat ihn fast das Leben gekostet. Er hat es nicht verdient, noch
mehr Qualen zu erleiden, als er es ohnehin schon muss, sein ganzes
Leben ist ein einziges Martyrium. Außerdem hat Oleg mir im Frühjahr
gesagt, dass auch sein Körper nicht mehr gesund ist, seine
Lymphknoten waren stark geschwollen, und er hatte manchmal Fieber,
Oleg sprach von Anzeichen für Leukämie.« Sie streckte ihre Hände
flehend in Richtung der Polizisten. »Sie dürfen ihn nicht ins
Gefängnis stecken, auch nicht in eine Anstalt, so soll er nicht
sterben, nicht, wenn er eingekerkert ist und den Himmel nicht sehen
kann.«
    »Wenn er eine solche Tat auf dem
Gewissen hätte, Fräulein Salander, einen so heimtückisch begangenen
Mord, müsste die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen, ich glaube nicht,
dass das ohne Sühne bleiben kann«, sagte Eino Plosila. »Natürlich
würde man versuchen, einen solchen Täter, der ja weitgehend
schuldunfähig zu sein scheint, nicht mit anderen gleichzustellen,
aber leider sieht unsere Justiz das nicht immer so.«
    Minna flüsterte, ihre ausgeweinten
Augen waren rot und geschwollen. »Bitte, ich bitte Sie, tun Sie,
was in Ihren Kräften steht, damit Grausamkeit nicht mit Grausamkeit
vergolten wird. Wenn Matte es getan hat, dann ist es schrecklich,
und ich mache mir die größten

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