Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
von hier aus mit ihm sprechen.«
Martin wunderte sich über nichts mehr. Wieso sollte die Insel nicht auch über eine Gegensprechanlage verfügen, wenn schon eine Bildübertragung vorhanden war.
Die Kommandantin betätigte einen Hebel an der Wand, worauf ein Trichter erschien, ähnlich denen, wie sie die ersten Plattenspieler gehabt hatten.
»Mein Herr, hier spricht die Kommandantin der Luftinsel von Stonehenge. Können Sie mich hören?«
Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie sich Thomas suchend umsah.
»Ich kann Sie hören, aber ich sehe Sie nicht, Milady. Wo sind Sie?«
»Ich spreche zu Ihnen über einen Fernsprecher. Sie haben dieses Schiff ohne meine Einwilligung betreten. Was hat Sie dazu bewogen und woher kommen Sie?«
Hinter Thomas wurden jetzt zwei weitere Gestalten im Korridor sichtbar. Es waren zwei Homunkuli, wie sie ihnen auch in Stahldorf begegnet waren.
»Ich komme aus Stahldorf und habe eine wichtige Botschaft für den Hohen Rat von Stonehenge. Wieso hat sich Ihre Insel abgekoppelt?«
»Ich bin ein Mitglied des Hohen Rates. Sie sind ein Abgesandter von Stahldorf? Wie lautet Ihre Botschaft?«
»Die Botschaft lautet: Sie haben eine Woche Zeit zurückzutreten und das Kommando über Stonehenge an das Hohe Gericht von Stahldorf abzutreten. Andernfalls wird die Stadt von einer Invasionsarmee besetzt.«
Martin blieb der Mund offen, als er diese Worte hörte, und Eliane zischte: »Jetzt spinnt er total.«
Doch Thomas hatte noch mehr auf Lager:
»Öffnen Sie die Schotten und ergeben Sie sich. Ab sofort steht diese Insel unter dem Kommando des Hohen Gerichts von Stahldorf.«
Die Kommandantin betätigte einen Schalter neben dem Trichter und sagte:
»So, jetzt kann er uns nicht mehr hören. Soviel ich weiß, waren Stahldorf und Stonehenge immer befreundet. Wissen Sie, was diese Kehrtwendung, die im Grunde nicht weniger als eine Kriegserklärung ist, zu bedeuten hat?«
»Er muss übergeschnappt sein«, meinte Eliane. »Als wir Stahldorf verließen, bekamen wir den Auftrag, Stonehenge vor einem Angriff der mechanischen Rebellen zu warnen. Wenn das stimmt, was er sagt, wurde Stahldorf inzwischen von den Rebellen übernommen. Das erklärt aber noch nicht, wieso Thomas jetzt für die andere Seite arbeitet.«
»Vielleicht ist er einfach zu den Rebellen übergelaufen?«
»Zutrauen würde ich es ihm. Doch dann wären keine Homunkuli an seiner Seite. Sie sind absolut zuverlässige Diener Stahldorfs.«
»Möglicherweise ist er gezwungen, so zu sprechen«, warf Martin ein. »Ich habe ihn genau beobachtet. Ihm fehlt das unschuldige Kaninchenlächeln. Haben Sie nicht eine Möglichkeit, von hier aus die Umgebung der Insel zu sehen?«
Die Kommandantin wandte sich einem Bildschirm zu, der bisher dunkel geblieben war. Sie legte einen Schalter um und drehte an einem kleinen Rad in seiner Nähe. Langsam begann sich der Schirm zu erhellen. Doch außer Weiß war nichts zu sehen.
»Das ist die Eisebene«, erklärte sie und drehte an einem Handrad direkt unter dem Bildschirm, das aussah wie das Ventilrad an einer Wasserleitung.
»Halt! Dort ist etwas«, sagte Eliane und zeigte auf die linke, untere Ecke des Schirms.
Wiederum drehte die Kommandantin an dem Rad und betätigte dazu einen roten Hebel. Mitten im Weiß der Eisebene stand ein Objekt, das aus einem verrückten Traum entsprungen schien. Ein Flugzeug, so groß wie ein Jumbojet, doch mit zwei Rümpfen, die miteinander verbunden waren. An den breiten Tragflächen waren insgesamt acht mehrflügelige Propeller angebracht und aus den Rümpfen des Monsters ragten vier mächtige Kamine, aus denen schwarzer Rauch quoll. Die Kamine waren nach allen Seiten mit Stahlseilen abgespannt, auch nach hinten zu den großen Seitenleitwerken. Die Rümpfe hatten breite runde Nasen und waren auf der Unterseite geformt wie bei einem Schiff. Ein Fahrwerk war keines zu sehen.
»Ein Dampfflieger«, stellte die Kommandantin fest. »mir ist nicht bekannt, dass Stahldorf solche Maschinen baut.«
Als Eliane auf dem Bildschirm den seltsamen Flieger erblickte, versteifte sie sich. Martin schaute seine Begleiterin irritiert an.
»Eliane, was hast du?«
»Ich spüre eine Präsenz, die vom Schiff ausgeht.«
»Schremp!«, entfuhr es Martin. »Du spürst einen Schremp?«
»Ja, vermutlich sogar mehrere. Gut, dass sie mich nicht sehen können.«
»Dann steht Thomas unter dem Einfluss der Schremp? Wie ist das möglich? Er ist doch als Außenweltler immun gegen ihre hypnotischen
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