Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

säubern.
    »Erstaunlich, sie hat offenbar vor ihrer Abreise auch wieder die Mechanischen in Betrieb gesetzt«, bemerkte Martin.
    »Das da draußen ist noch viel erstaunlicher«, sagte Thomas und deutete auf das Gefährt, das vor dem Eingang stand. Es sah aus wie ein überdimensionales Schneemobil. Ein flaches und breites Fahrzeug mit einer silbern glänzenden, stromlinienförmigen Kabine auf drei Kufen. Zwischen den beiden hinteren Kufen war ein gewaltiges Schaufelrad montiert, das so groß war, dass es über die Fahrzeugkabine hinausragte. Die Antriebeinheit, eine Dampfmaschine, umschloss das Rad gabelförmig. Daraus ragten zwei pechschwarze Kamine.
    »Mit diesem Ding werden wir nicht auf den Eisexpress warten, sondern direkt nach Victoria fahren«, sagte Thomas.
    Auf dem Rückweg machten sie einen Abstecher zum Saal mit den Glaswänden, in dem Martin und Eliane die Bruchlandung überstanden hatten. Die Mechanischen im Korridor vor dem Eingang waren verschwunden und die Tür zum Saal war verschlossen.
    »Da ist schon einiges im Gange«, sagte Martin. »Offenbar hat sie auch die Mechanischen hier oben wieder in Betrieb gesetzt. Ich frage mich, wieso sie noch auf die Homunkuli als Wächter zurückgegriffen hat. Sie sind ja nicht einmal immun gegen die Hypnose der Schremp.«
    »Vielleicht haben sie Aufgaben erhalten, die die Mechanischen nicht erledigen können. Die Homunkuli sind erstaunliche Wesen.«
    »Du weißt mehr über sie, als du sagen willst«, mutmaßte Martin.
    »Ja, entgegnete Thomas, weil ich zurzeit nur auf Vermutungen baue.«
    Damit war für ihn das Thema abgeschlossen und auch auf Martins Drängen gab er nicht mehr preis.
    Der Abend und die Nacht verliefen ereignislos und am nächsten Morgen begaben sie sich zuerst zur Sicherheitszentrale, um in deren Waffenkammer einige Ausrüstungsgegenstände zu holen. Doch das Schott war repariert und abgeschlossen. Unschlüssig, ob sie sich mit Gewalt Zugang verschaffen sollten, standen sie im Korridor, als ein Mechanischer mit drei Rucksäcken beladen anrückte.
    »Milady, Gentlemen«, sagte er. »Ich bringe Ihnen Ihre Reiseausrüstung. Darf ich Sie zum Schneemobil begleiten?«
    »Man will uns offenbar schnellstmöglich loswerden«, flüsterte Martin Eliane zu, als sie dem Roboter nach unten folgten.
    »Verständlich«, entgegnete sie, »ich würde genauso handeln. Die Kommandantin ist eine kluge Frau.«
    Der Mechanische übergab ihnen die Rucksäcke und erklärte ihnen die Bedienung des Schneemobils, dann verabschiedete er sich.
    Thomas setzte sich ans Steuer. Als Luftschiffpilot sei er dafür am besten geeignet, erklärte er. Eliane lachte wiehernd bei diesen Worten. Doch Thomas grinste nur wie ein unschuldiges Kaninchen und startete die Maschine. Dem Geräusch nach wurde das Schaufelrad von einer Dampfturbine angetrieben. Das Schneemobil setzte sich ruckend in Bewegung, kam dann aber rasch auf Touren und raste schließlich in halsbrecherischer Geschwindigkeit schräg über die Schneedünen.
    »Der Mechanische hat uns sogar Waffen mitgegeben«, sagte Eliane, die daran war, ihren Rucksack zu inspizieren. »Eine Ætherpistole und ein Messer.«
    »Besser als nichts«, kommentierte Thomas. Er hatte die Goggles über die Augen geschoben und pilotierte das Gefährt wie einen Rennwagen. Wenn sie keine Gurte gehabt hätten, wären sie schon längst alle aus ihren Sitzen geflogen.
    »Eine tolle Maschine«, grinste er. »Schade, das Ding in Victoria abzustellen. Wir sollten damit geradewegs nach Orb fahren.«
    »Diese Distanz schaffen wir nicht, und wenn wir liegen bleiben, sind wir verloren«, entgegnete Eliane. »Es sind dreitausend Meilen bis Orb.«
    »Dreitausend?«, staunte Martin. »Da werden wir ja tagelang unterwegs sein.«
    »Nur vier, inklusive Zwischenhalt in Nirwana. Der Eisexpress ist schnell.«
    »Nirwana? Ist das der Name einer Stadt?«
    »Eine Stadt ist es keine, nur ein kleines Nest in einer speziellen Gegend mit sehr speziellen Einwohnern. Lass dich überraschen.«
    Eine Weile lang sprach keiner, alle hingen ihren Gedanken nach. Martin fragte sich, ob er seine Stiefmutter Isabelle wieder sehen würde und ob er nicht von Victoria nach Stonehenge zurückkehren sollte, um sie zu suchen. Doch andererseits war da Eliane, die ihm auch ans Herz gewachsen war. Er wollte sie nicht alleine nach Orb reisen lassen. In Gedanken kehrte er noch einmal zurück nach Tiffany in sein Bastelzimmer. Dort war er in diese seltsame Welt gekommen. Was wohl in der Zwischenzeit