Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Bärtschi
Vom Netzwerk:
mit den Fischen geschehen war? Dann tauchte unvermittelt vor seinem inneren Auge der Mikromechanische auf, den er im Brennraum der Lokomotive gefunden hatte. Was mochte mit ihm geschehen sein und überhaupt: Was hatte es mit den Mikromechanischen auf sich? Sie besaßen seines Erachtens die am weitesten fortgeschrittene Technologie auf diesem Planeten.
    »Wir sind am Trassee angelangt«, unterbrach Thomas seinen Gedankengang. »Jetzt müssen wir ihm nur noch folgen. Es kann nichts mehr schiefgehen.«
    Auf der rechten Seite war tatsächlich eine Spur im Schnee zu erkennen. Sie war etwa zehn Meter breit, manchmal tief und manchmal vom Schnee bereits zugeweht.
    »Wo sind denn die Schienen? Befinden sie sich unter dem Schnee?«, wollte Martin wissen.
    »Der Express hat nur eine Schiene. Er ist ein Monorail«, klärte ihn Thomas auf. Sie befindet sich tatsächlich unter dem Schnee, wie du richtig bemerkt hast, und wird vom durchfahrenden Zug jeweils wieder freigelegt.«
    Obschon Martin den Eindruck hatte, Thomas würde alles aus dem Antrieb des Schneemobiles herausholen, dauerte es mehr als eine Stunde, bis das Trassee des Eisexpresses plötzlich in einem dunklen Tunnel verschwand, und erst nach einer weiteren halben Stunde tauchte am Horizont ein Turm auf, der wie eine spitze Nadel in den bleigrauen Himmel ragte.
    »Dort befindet sich der Eingang zum Lift, der nach Victoria führt.«
    »Ein Schwerluftschacht?«, fragte Martin. Er hatte das Prinzip der schweren Luft immer noch nicht begriffen. Dass so etwas funktionieren konnte, wollte ihm nicht in den Kopf. Aber er sagte sich, dass hier auf diesem Planeten vielleicht nicht die gleichen Naturgesetze galten wie daheim auf der Erde.
    »Nein, der wäre viel zu langsam, es ist ein ganz gewöhnlicher Tandem-Aufzug mit zwei Kabinen. Die eine fährt runter und zieht die andere herauf. Zum Ausgleich wird oben einfach Wasser in einen Tank gefüllt. Das Ganze funktioniert also ohne Dampf – ein Unikum auf diesem Planeten. Aber Charles Parsons war bekannt für seine ungewöhnlichen Ideen.«
    »Er lebt nicht mehr?«
    »Das weiß ich nicht«, gestand Thomas.
    Als sie beim Turm ankamen, wurden sie schon erwartet. Drei Gestalten, in weiße Mäntel gehüllt und mit Pelzmützen, beobachteten das ankommende Fahrzeug. Sie hatten ihre Goggles aufgesetzt, sodass man ihre Augen nicht sehen konnte. Als sie aus dem Schneemobil kletterten, kam einer von ihnen auf sie zu und sagte: »Wir wurden über Ihre Ankunft unterrichtet. Der Stadtverwalter erwartet Sie.«
    »Ein Verwalter, das ist ja mal was Neues«, murmelte Martin. Er folgte dem Empfangskomitee zum Turm. Dieser hatte an der Basis einen Durchmesser von etwa zehn Metern und verjüngte sich nach oben. Klänge wie von einem Harfenspiel ertönten von seiner Spitze. Wahrscheinlich der Wind, vermutete Martin.
    »Wir können Sie leider nur einzeln runterschicken«, sagte der Mann, der sie begrüßt hatte. »Der Lift befindet sich in Revision.«
    »Aha«, machte Martin und betrat die Kabine.
    »Aber die Fahrt dauert nicht lange. In einer Zwischenstation werden Sie umsteigen.«
    Ehe er sich versah, schloss sich die Tür hinter ihm. Martin sah sich um. Die Kabine war geräumig. Sie hätte problemlos allen Platz geboten. An der Decke brannte eine kleine Gaslampe. Ein Bedienungspaneel war nirgends zu sehen.
    »Soso, in Revision«, brummte er. Dann fuhr es ihm kalt den Rücken herunter. »Was für eine faule Ausrede. Sie wollten uns trennen!« Doch wieso hatten weder Eliane noch Thomas darauf reagiert. Sie hatten doch ein viel besseres Gespür für Gefahr als er? Aber vielleicht sah er Gespenster und alles war ganz harmlos.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Aufzugs und Martin blickte in die Mündungen von drei Naglern.
    »Ich habe es doch geahnt«, stöhnte er.
    »Im Namen der Kaiserin von Orb, Sie sind verhaftet«, sagte ein schwarz gekleideter, älterer Herr mit Zylinder, weißem Schal und einem Monokel. »Sie haben kein Recht zu schweigen und sind verpflichtet, uns über alles zu informieren, was wir wissen wollen.« Der Mann winkte mit seiner Pistole und bedeutete ihm, auszusteigen.
    »Aber dies hier ist Victoria und nicht Orb«, protestierte er. »Ich verlange, den Verwalter zu sprechen.«
    »Mein Herr, steigen Sie aus dem Aufzug und zwingen Sie uns nicht, von unseren Waffen Gebrauch zu machen!«
    Martin hatte seine linke Hand in der Manteltasche und ertastete damit unvermittelt eine kleine Kugel, nicht größer als ein Taubenei.

Weitere Kostenlose Bücher