Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
leer.
»Hallo, Martin, schläfst du? Du musst nachladen!« Eliane war daran, die Steuerung des Lifts zu untersuchen, und hatte eine Abdeckklappe unter dem Hebel entfernt. Derweil entfaltete die rote Säure aus dem Handschuhrevolver ihre Wirkung. Die Säule, hinter der sich ihr Angreifer versteckte, sah aus wie ein Emmentaler Käse und rauchte aus allen Löchern. Auch der Boden rund herum qualmte und roter Rauch stieg auf und vernebelte die Sicht. Doch jetzt waren noch andere Kämpfer auf sie aufmerksam geworden. Glücklicherweise nicht alle aus der gleichen Fraktion. Zwei dunkle Gestalten mit Gasmasken rannten auf die löchrige Säule zu und feuerten auf den Schlapphut dahinter.
Martin lud derweil die Trommel mit fünf neuen Ampullen aus seinen Patronengürteln. Er war gerade fertig, da rasselten von links zwei Mechanische heran. Dicke Blecheimer auf Rädern mit stilisierten Menschenköpfen und Ætherpistolen in den Stahlhänden.
Martin leerte das ganze Magazin in Richtung der Mechanischen. Aber er konnte die Wirkung nicht mehr beobachten. Die Tür des Lifts glitt zu und er musste schleunigst den Kopf zurückziehen, um nicht eingeklemmt zu werden. Die Tür hatte sich keine Sekunde zu früh geschlossen. Er hörte, wie Naglerpfeile dagegen trommelten. Dann setzte sich der Aufzug abwärts in Bewegung. Martin spürte, wie er stark beschleunigte.
DAS MECHANIKUM
»Das Seil ist gerissen«, stieß er entsetzt hervor.
»Quatsch, ich habe die Maschine in den Notfallmodus geschaltet. Der Aufzug wird gleich heftig abbremsen.«
Doch Eliane hatte zu viel versprochen. Weiterhin ungebremst, sauste der Lift mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe. Sie riss die Klappe unter dem Steuerhebel wieder auf und begutachtete die Mechanik, die aus einer Unmenge feinster Rädchen, Hebelchen und Federn bestand.
»Das Stahlseil ist noch intakt, aber der Aufzug hat sich selbstständig gemacht«, brummte sie.
»Hoffentlich bremst er mindestens am unteren Ende.«
»Sonst ziehen wir die Handbremse«, grinste Eliane und Martin wunderte sich wieder einmal, wie seine Begleiterin in dieser höchst bedrohlichen Situation noch Witze reißen konnte. Doch diesmal schien sie es ernst gemeint zu haben. Sie zog ein Kampfmesser aus ihrem rechten Stiefel und rammte es in die Mechanik der Steuerung.
Die Kabine bremste so stark, dass Martin zu Boden geworfen wurde. Glücklicherweise war die Trommel seines Handschuhrevolvers leergeschossen, denn er hatte vor Schreck abgedrückt.
»Zieh den Roten Handschuh aus«, sagte Eliane, der das Missgeschick nicht entgangen war. »Sonst geschieht noch ein Unglück.«
Der Aufzug hatte zwar seine Fahrt abgebremst, aber nicht ganz gestoppt. In Schleichfahrt ging es weiter abwärts.
»Wir werden wohl in den Puffer knallen, mach dich darauf gefasst«, sagte sie und lachte. Martin rappelte sich auf und verstaute die Handschuhwaffe in seinem Rucksack.
»Teufelszeug«, murmelte er.
»Es ist ein Museumsstück«, erklärte Eliane, »aus der Gründerzeit. Heutzutage werden solche Waffen nicht mehr hergestellt und auch nicht mehr eingesetzt. Ihre Reichweite ist zu gering und die Rote Säure ist unberechenbar. Sie frisst sich durch jedes Material. Früher wurde sie gegen gepanzerte Ziele eingesetzt.«
Mit einem Ruck kam der Lift plötzlich zum Stehen und die Tür öffnete sich. Vor ihnen lag ein Felstollen mit roh behauenen Wänden, Gaslampen an der Decke und Bohlen aus Holz als Bodenbelag. Er führte leicht abwärts und an seinem Ende war eine weiße Tür zu erkennen.
»Wo sind wir hier?«, fragte Martin
»Keine Ahnung.«
»Ich dachte, du hättest den Stadtplan intus?«
»Ja, doch diese Etage ist nirgendwo auf den Stadtplänen verzeichnet. Wir müssen inzwischen das Niveau des Grabenbodens erreicht haben, oder befinden uns gar darunter.«
»Also unter dem Waldboden?«
»Ja, komm, wir schauen mal, was hinter der weißen Tür liegt.«
»Sollten wir nicht nächstens in den Express nach Orb steigen? Die Verwalterin hat doch gesagt, er fahre in einer Stunde.«
Eliane lachte.
»Ich denke nicht, dass wir das schaffen, aber ich bezweifle auch, dass der Express pünktlich abfahren wird, bei dem Tumult in der Stadt. Außerdem haben wir keine andere Wahl, als durch die Tür dort vorne zu gehen. Der Lift fährt nicht mehr.«
Bis zur Tür waren es etwa hundert Meter. Dort angekommen, versuchten sie sie zu öffnen, doch es gelang nicht.
»Soll ich den Roten Handschuh hervorholen?«, fragte Martin.
Doch in diesem
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