Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
ihnen in der Stadt sind. Wo sie sich aufhalten, weiß ich nicht. Aber es spielt auch keine Rolle, sie sind so schnell, dass sie in Sekunden überall sein können.«
»Ich werde dich beschützen«, versprach Martin in einem Anflug von Heldenmut.
»Gegen einen Schremp kann man nicht kämpfen. Schremp können spielend jedem Angriff ausweichen. Sie sind nicht zu fassen.«
Je tiefer sie in die Stadt eindrangen, desto unheimlicher erschien sie Martin. Die Hochhäuser standen eng beieinander, enger als in jeder anderen Stadt, die er gesehen hatte. Die Straßen waren schmal, höchstens zweispurig. Ob auf ihnen jemals Fahrzeuge unterwegs gewesen waren, schien ihm zweifelhaft. Die grünen Laternen, die die Straßen säumten und an den Häusern angebracht waren, leuchteten nur schwach und flackerten zuweilen. In ihrem Licht war die Höhe der Gebäude nicht abzuschätzen. Von den glänzenden Fassaden aus Glas und Stahl schien eine unausgesprochene Drohung auszugehen. Ab und zu war zwar hinter einem Fenster das Licht einer weißgelb leuchtenden Glühlampe zu erkennen, doch Menschen sah er keine. Stahldorf war eine Geisterstadt. Am liebsten hätte er kehrtgemacht und sich wieder im Zimmer über dem Pub verkrochen. Noch viel lieber wäre er zuhause in seinem Bastelzimmer gewesen, doch das war leider unerreichbar. Vielleicht war ja alles bloß ein Traum, überlegte er. Vielleicht schlief er friedlich in seinem Bett und diese ganze verrückte Welt mit ihren Dampflokomotiven und Robotern existierte nur in seinem Unterbewusstsein.
»Das sieht aus wie ein Lebensmittelgeschäft«, sagte Eliane und holte ihn damit aus seinen Gedanken. »Wir sollten mal einen Blick hinein werfen.«
Tatsächlich könnte das, was er hinter der Vitrine sah, ein kleiner Supermarkt sein. Lange Reihen von Gestellen waren im Schein der grünen Straßenbeleuchtung zu sehen. Im Laden selbst brannte kein Licht. Die Eingangstür ließ sich widerstandslos öffnen, als Martin dagegen drückte. Der Laden war nicht abgeschlossen. Kein Wunder, dachte er, als er die leeren Regale sah.
»Da ist nichts übrig«, sagte er.
»Macht nichts, es hat sicher noch mehr Geschäfte«, entgegnete Eliane. Doch ihr Optimismus schwand, als die nächsten drei Läden, die sie aufsuchten, ebenso leer waren.
»Vielleicht sollten wir weg von der Hauptstraße«, meinte Martin. Er deutet in eine schmale Gasse, die zwischen den Hochhäusern hindurchführte. »Dort hinten sind weitere Geschäfte und eines sieht aus, als wäre es beleuchtet.«
Tatsächlich! Als sie näherkamen, war hinter der Vitrine gelbweißes Licht zu sehen. Ein wohltuender Anblick inmitten der diffusen grünen Stadtbeleuchtung. Eliane rüttelte an der Tür, doch sie war verschlossen. Das schien Martin ein gutes Zeichen. Wo die Tür abgeschlossen war, war sicher etwas zu holen. Eliane hatte wohl den gleichen Gedanken. Sie hob ihren rechten Arm und schlug mit dem Ellenbogen zu. Genauso wie sie es beim Fenster in der Ingenieurskabine gemacht hatte. Auch diesmal blieb kein Splitter im Rahmen hängen. Der Lärm der berstenden Scheibe zerriss die Stille der Stadt. Martin zuckte zusammen.
»Wir können doch nicht einfach einbrechen«, sagte er.
»Mach keine dummen Sprüche und komm schon!« Sie stieg durch den leeren Türrahmen ins Innere. Martin folgte ihr zögernd, nachdem er sich nach allen Seiten umgesehen hatte. Doch die Stadt war wieder still und unheimlich wie zuvor. Keine Menschen, die die Fenster aufrissen, keine neugierigen Passanten, die herbeiströmten, und keine Polizeisirenen. Mit einem mulmigen Gefühl folgte er Eliane ins Innere.
Auch hier waren die Regale leer, zumindest die vordersten. Doch hinten, in der dritten Reihe, hatte Eliane etwas entdeckt. Triumphierend hielt sie einen viereckigen Gegenstand in die Höhe. Als er näher trat, konnte er die Beschriftung lesen: »Orion, die Beste von allen«, stand in rot auf dem Karton.
»Die meisten verschmähen sie und vielen wird davon übel«, erklärte Eliane, »aber es ist besser als nichts.«
»Was ist es?«
»Ein Würfel Schokolade. Hier im Gestell hat es noch mehr davon.«
»Schokolade? Richtige Schokolade? Und das mögen die Leute hier nicht?« Ungläubig riss er eine Packung auf. Tatsächlich! Die Würfelform war zwar ungewöhnlich, aber es war eindeutig Schokolade. Sie schmeckte wunderbar und er fand, es sei die Beste, die er je gegessen hatte.
DER SCHOKOLADEN-VERKÄUFER
Er hatte gerade eine zweite Packung geöffnet, da hörten sie
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