Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
genug wäre er.«
Martin war entsetzt. Die neue Welt, in die es ihn verschlagen hatte, wurde ihm immer unheimlicher. Wenn der Mikromechanische recht hatte, so war Thomas ein Sklavenhändler. Steckte vielleicht gar Alexandra im Koffer?
»Der Schremp ist verschwunden, der Koffer auch.«
»Ist er wieder in den Zug gestiegen?«
»Das kann ich dir leider nicht sagen. Meine Optik ist nicht für so schnelle Bewegungen ausgelegt.«
»Und Thomas, was macht er jetzt?«
»Er steht da und schaut dem Zug zu, wie er sich in Bewegung setzt.«
Kaum hatte er das gesagt, ertönte die Pfeife der Lokomotive und sie hörten das Schnaufen der Dampfmaschine. Eine weiße Wolke trieb genau auf die Brücke mit der Statue zu und verhüllte sie.
»Jetzt oder nie«, sagte der kleine Roboter. »Du musst verschwinden, Martin. Ich bleibe noch hier um zu beobachten. Ich kann mich besser verstecken.«
»Bitte gehe kein unnötiges Risiko ein«, sagte Martin, erhob sich und rannte im Schutz der Dampfschwaden über die Brücke und auf der anderen Seite die Treppe hinunter. Er schaute immer wieder über die Schulter zurück, doch Thomas war nirgends zu entdecken und der Zug verschwand soeben aus der Bahnhofhalle. Rasch ging er durch einen der Rundbögen hinaus in die Stadt. Sie kam ihm jetzt noch gespensterhafter vor. Die grünen Lichter, die menschenleeren Straßen, die Stille. Er hatte sich den Weg zum Pub gut eingeprägt und so gelangte er rasch zurück zu den Zimmern, in denen sie übernachtet hatten. Eliane war schon auf und rief forsch »hinein«, als er an ihre Tür klopfte. Sie stand am Fenster und schaute in das grüne Dämmerlicht hinaus.
»Du warst fort«, stellte sie fest. »Hast du mit Alexandra gesprochen?«
»Das war tatsächlich meine Absicht. Aber die Draisine stand nicht mehr im Bahnhof. Dafür haben wir eine andere Entdeckung gemacht.«
»Wir? Du hast den Mikromechanischen mitgenommen? Wo steckt er jetzt?«
»Er ist noch im Bahnhof und beobachtet Thomas. Der hat einem Schremp einen Koffer übergeben, der mit dem Zug der Mechanischen gekommen ist.« Er erklärte ihr im Detail, was sie erlebt hatten. Eliane machte einen alarmierten Eindruck.
»Jetzt verstehe ich«, sagte sie. »Ich spüre nämlich die Anwesenheit von Schremp in der Stadt.«
»Du kannst sie spüren?«
»Ja, ihre Ausstrahlung ist sehr stark; auch wenn sie nicht direkt in meiner Nähe sind, kann ich ihre hypnotische Aura wahrnehmen.«
»Das würde bedeuten, dass der Zug ohne sie abgefahren ist oder mindestens einen von ihnen zurückgelassen hat. Auch der Mikromechanische war nicht in der Lage, ihren schnellen Bewegungen zu folgen.«
»Ich traue ihm nicht«, grummelte Eliane.
»Thomas?«
»Dem auch nicht, doch der scheint bloß ein gewöhnlicher Sklavenhändler zu sein. Ich meine den Mikromechanischen.«
»Der Kleine ist auf unserer Seite, das hat er doch mehrfach bewiesen.«
»Bewiesen hat er noch gar nichts. Hast du übrigens Thomas, die Übergabe der Koffer und den Schremp mit eigenen Augen gesehen?«
»Nein«, musste er zugeben. »Ich habe nur den Zug einfahren sehen. Es waren unsere Verfolger, es sei denn, es wären noch mehr Lokomotiven von diesem Typ mit Kanonenwagen unterwegs. Doch was auf dem Bahnsteig geschehen ist, das konnte ich nicht mitverfolgen. Der Mikromechanische hat es mir geschildert.«
»Siehst du, das ist es, was ich meine. Es könnte auch ganz anders gewesen sein.«
»Ach was, du siehst Gespenster. Wenn der Mikromechanische zurück ist, wird er uns sicher mehr berichten können.«
Doch der kleine Roboter zeigte sich nicht. Auch Thomas meldete sich nicht mehr.
»Jetzt haben wir drei Stunden gewartet«, sagte Eliane. »Das ist genug. Es ist höchste Zeit, dass wir etwas Dampf machen.«
»Was verstehst du denn unter Dampf machen? Sollen wir zurück in den Bahnhof gehen und nachsehen?«
»Nein, wir erkunden die Stadt. Vielleicht entdecken wir irgendwo einen Hinweis darauf, was hier wirklich gespielt wird. Ich möchte auch zu den Erzschmelzen und mir den Kamin mal ansehen, in dem Thomas mit seinem Luftschiff angeblich abgestürzt ist.«
»In Ordnung, ich bin dabei, vielleicht finden wir auch etwas zu essen. Ich habe einen Bärenhunger.«
Sie gingen nach unten auf die Straße und Eliane entschied sich dafür, nicht in Richtung Bahnhof, sondern stadteinwärts zu gehen.
»Wo sind die Schremp, die du spüren kannst? Befinden sie sich in der Nähe?«
»Das kann ich leider nicht sagen. Ich fühle nur, dass einer oder mehrere von
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