Die Reise zu den Elfeninseln
Schnitzereien von Adlern verziert sind, die wiederum von Efeu umwunden und mit Bändern aus vergoldeten Blättern geschmückt sind. Der Baum, der den Palast trägt, scheint sich endlos in den Himmel zu recken, und mir tun alle Glieder weh, als wir endlich den Wipfel erreichen. Auf der letzten Plattform erwartet uns bereits Khurd.
Seine Bediensteten legen Elith vor ihm ab. Sie rührt sich. Lord Khurd starrt auf sie hinunter.
»Du hast Gulag-al-Floros umgebracht, den Hohen-Priester des Hesuni-Baums!«
Elith blinzelt, antwortet jedoch nicht. Sie scheint benommen zu sein, vielleicht von dem Schock. Aber es könnte auch etwas anderes sein. Ihre Pupillen kommen mir merkwürdig geweitet vor, aber ich kann das bei den Elfen schlecht erkennen. Die ganze Rasse hat so verdammt große Augen.
»Das wird jedenfalls behauptet«, antworte ich und trete neben sie. »Aber bisher hat niemand einen Beweis gegen sie vorgebracht.«
Der Elflord ist eindeutig nicht erfreut über meine Gegenwart. »Verlasst meinen Palast!«
»Ich lasse niemals einen Klienten im Stich. Und sollte nicht jemand einen Heiler holen? Sie sieht aus, als könnte sie seine Dienste brauchen.«
»Und wie hat sie meinem Bruder gedient?«, brüllt ein Elf hinter uns. Er will sich auf Elith stürzen, aber seine Gefährten halten ihn zurück.
Mir gefällt das gar nicht. Meine Klientin wird von einer Horde feindseliger Elfen umringt, und der Herr der Insel scheint nicht geneigt, den Argumenten zu ihren Gunsten Gehör zu schenken. Und nur weil die Elfen in dem Ruf stehen, gerecht und tolerant zu sein, schließt das noch lange nicht aus, dass Lord Khurd es für das Beste hält, die Mörderin von der höchsten Plattform hinunterzuwerfen und Schluss aus. Ich bin erleichtert, als Vases endlich eintrifft. Er tut zwar nicht viel mehr, als dazustehen und beunruhigt zu wirken, aber ich denke, dass seine Tochter nicht Gefahr läuft, vor seinen Augen gelyncht zu werden.
Lord Khurd ordnet an, dass Elith an einen sicheren Ort gebracht und scharf bewacht wird. Er gestattet Vases, mitzugehen und sich um sie zu kümmern. Dann befiehlt er den Wachen, ihm die Augenzeugen zu bringen, damit er die ganze Geschichte aus deren Munde hört. Und als Letztes knurrt er, ich solle ihm aus den Augen gehen.
Ich gehorche ohne Widerrede. Ich muss selbst mit den Zeugen sprechen. Ich will mich gerade mit einem Schluck Kleeh für den langen Abstieg über die Leiter wappnen, als mir das Bild des jungen Elfen durch den Kopf schießt, der aus der Takelage gefallen ist. Schnell stecke ich den Flakon wieder weg und klettere lieber nüchtern hinunter.
Vor dem Hesuni-Baum ist immer noch eine Menge versammelt. Einige tragen die weißen Roben der Schauspieler.
»Noch mehr Böses ist uns widerfahren«, meint eine Elfe stöhnend zu ihren Freundinnen, die mit einem kollektiven Seufzer antworten.
Ich verstehe, warum sie sich aufregen. Wenn der wichtigste religiöse Führer deines Landes schon ermordet werden muss, dann doch bitte schön nicht ausgerechnet in dem Moment, in dem du die ganze Bude voller ausländischer Staatsgäste hast, die du beeindrucken willst. Kein Wunder, dass Lord Khurd sauer ist. Allerdings ist das ein Problem der Elfen. Meines dagegen ist es, Informationen zu sammeln und Elith von dem Verdacht reinzuwaschen. Es sei denn, sie ist wirklich unwiderruflich schuldig. In dem Fall habe ich einen Plan B für den Ausbruch aus dem Gefängnis in der Hinterhand. Für die Entweihung des Hesuni-Baumes erwartet Elith nur die Verbannung. Für den Mord an dem Hohe-Baum-Priester erwartet sie die Todesstrafe. Und ich werde nicht zulassen, dass Elith wegen Mordes verurteilt wird. Erstens schulde ich das ihrem Vater, und zweitens geht mir Lord Khurd wirklich auf die Nerven.
Ich stelle mich einer Gruppe von Elfen vor und frage sie, ob einer von ihnen tatsächlich gesehen hat, wie Elith Gulag-al-Floros das Messer in die Brust gerammt hat. Sie wissen es nicht. Das alles muss passiert sein, bevor sie dazukamen. Die nächste Gruppe antwortet ganz ähnlich. Ein Elf, niemand weiß genau wer, hat Gulag tot aufgefunden. Elith lag mit dem Messer in der Hand neben ihm.
Ich werde allerdings bei meinen Ermittlungen von den Elfen gehindert, da Khurd ausgeschickt hat, um Zeugen einzusammeln. Mehr als einmal will ich gerade jemanden befragen, als er oder sie zum Baumpalast gescheucht wird. Aber wenigstens schicken mich die Diener nicht weg oder drohen mir, mich einzusperren. Als es schließlich dunkel wird, habe ich so
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