Die Reise zu den Elfeninseln
mild, und eine leichte Brise kräuselt das Wasser der beiden Weiher am Hesuni-Baum. Auf der Lichtung herrscht mehr Betriebsamkeit als sonst, da die Elfen von den Nachbarinseln dem Baum ihren Respekt zollen. Sie ignorieren mich, als ich über das Gras schlendere. Ich bin nicht der einzige Mensch hier. Am kleineren Weiher zeigen ein paar Elfen einer Delegation aus Mattesh irgendwelche Sehenswürdigkeiten.
Der große Weiher ist mir verdächtig, seit Makri von seinem Wasser getrunken hat und so nachhaltig berauscht gewesen ist. Ich will einen Zauber an ihm ausprobieren, auch wenn mir klar ist, dass den Elfen das kaum gefallen wird. Eigentlich wollte ich frühmorgens hierher kommen, wenn es ruhiger ist, aber ich vermute, dass Khurd seine Diener beauftragt hat, die Teiche zu bewachen. Sie würden mich mit Leichtigkeit erwischen. Hier in der Menge kann ich hoffentlich unbemerkt zaubern.
Ich setze mich neben den Weiher, tauche beiläufig meinen Finger in das Wasser und träufele dann ein paar Tropfen auf ein Stück Pergament. Mit einem kurzen Blick in die Runde überzeuge ich mich, dass niemand auf mich achtet. Ich wirke wie ein gewichtiger Detektiv, der sich von seinen Anstrengungen erholt.
Rasch gleite ich in einen Zustand völliger Konzentration. Dann murmle ich die uralten Worte des Zaubers der Nicht-Zugehörigkeit. Ich habe diesen Spruch früher häufig benutzt und festgestellt, dass dieses magische Feld, das der Hesuni-Baum erzeugt, ihn wirkungslos macht. Ich beobachte den Weiher und warte. Nach einer Minute sehe ich, dass etwas in meiner unmittelbaren Nähe an die Oberfläche blubbert. Ich stehe auf, recke mich und schlendere den Rand entlang, wie ein Mann, der sorglos in den Tag hinein lebt. Auf dem Wasser treibt ein kleines Paket. Ich bücke mich, um meinen Stiefel zu richten, schnappe mir das Päckchen und gehe schnell weiter.
Ich bin sehr mit mir zufrieden. Vielleicht bin ich ja kein großer Zauberer, aber man muss schon einen kühlen Kopf behalten, wenn man in aller Öffentlichkeit zaubert, ohne dass eine Elfenseele es bemerkt.
»So einfach wie einen Senator zu schmieren«, murmele ich und schlendere über die Wiese.
Dann gehe ich hinter einen Baum in Deckung und hole das Päckchen aus meiner Tunika. Ich öffne die wasserdichte Ölhaut. Darin befindet sich weißes Pulver. Ich tauche meinen Finger hinein und streiche mir ein wenig davon auf die Lippen, um es zu schmecken.
Es ist Boah. Die stärkste Droge, die im Moment auf dem Markt ist. Die Geißel der Menschenländer, und jetzt anscheinend auch an der exklusivsten Örtlichkeit der Elfeninsel zu erwerben. Ich will mir gerade dazu gratulieren, dass ich endlich greifbare Fortschritte mache, als sich eine Hand schwer auf meine Schulter legt.
»Ich verhafte Euch im Namen von Lord Khurd-al-Dah!«
Ich werde von neun Elfen umringt, die ihre Schwerter gezückt haben und Lord Khurds Insignien tragen.
»Wenn Ihr versucht, einen Zauber auszusprechen, hacken wir Euch in Stücke, bevor Ihr auch nur die zweite Silbe herausgebracht habt.«
Ihr Anführer reißt mir das Päckchen aus der Hand.
»Habt Ihr eine Erklärung hierfür?«, will er wissen.
Die hab ich, will sie aber nicht an ihn verschwenden. Sie werden mich ohnehin vor ihren Lord schleppen, also kann ich mir den Atem sparen, bis ich da bin. Man führt mich über die Lichtung und die lange Leiter zum Baumpalast hinauf. Dort stecken sie mich in eine kleine Zelle mit einem Stuhl und einem schönen Blick durch die vergitterten Fenster auf die Baumwipfel.
»Draußen vor dem Fenster stehen Wachen mit schussbereiten Bögen. Sie haben Befehl zu schießen, wenn Ihr zu fliehen versucht. In Avula haben wir für Drogenhändler nicht viel übrig.«
Sie lassen mich allein. Ich setze mich auf den Stuhl. Irgendwie überrascht mich das alles nicht. In Turai und auch in anderen Städten im Westen bin ich so oft ins Gefängnis geworfen worden, dass es vermutlich nur eine Frage der Zeit war, auch in einem elfischen Gefängnis zu landen.
14. KAPITEL
Die Zelle ist sauber und luftig. Auf einem Tisch steht ein Wasserkrug, und kurz nach meiner Inhaftierung kommt ein Wächter und bringt mir einen Laib Brot. Die Sonne scheint durch das Fenster, und im Wald höre ich irgendwo einen Chor üben. Was die Gemütlichkeit angeht, schneidet diese Zelle verglichen mit meiner Suite in der Rächenden Axt gar nicht so schlecht ab.
Mein erster Besucher ist Botschafter Torius. Ich habe unserem Botschafter in Avula noch keinen Antrittsbesuch
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