Die Reise zum Ich
Gorilla-ähnliche Anthropoide. Der Gorilla, seine
erste Vision überhaupt, war zuerst nichts als ein Tier. Später
erkannte der Patient in der großspurigen Grandezza des Tieres
sein
eigenes
Auftreten
wieder.
Und
je
weiter
dieser
Erkenntnisprozeß fortschritt, desto mehr verwandelte sich das
Bild in ein menschliches: in einen gigantischen, affenartigen
Mann, den er »den Feldwebel« nannte. Gegen Ende der vierten
Stunde merkte ich, daß die Wirkung der Droge nur noch etwa
zwei Stunden Vorhalten würde, und noch sah ich so gut wie gar
keine Entwicklung in der Erfahrung dieses Patienten. Angesichts dessen beschloß ich, das anscheinend sinnlose Karussell der Imaginationen durch Verabreichung von Kohlendioxyd
kurz zu unterbrechen in der Hoffnung, daß das Inhalieren des
Gases die Egofunktion vorübergehend schwächen und bislang
im
Unterbewußtsein
begrabenes
Material
zutage
fördern
werde. Es zeigte sich, daß der Patient nicht mehr als zehn Züge
zu ertragen vermochte: Er bekam das Gefühl, als ob er - der
großspurige Riese - in einer Röhre nach oben und sein Kopf
mit ungeheurer Gewalt gegen die Decke gepreßt würde. Das
werde ihm den Schädel brechen!
Nach dieser Anwandlung von Ohnmacht und Todesfurcht trat
ein Wandel in seinen Empfindungen wie auch in bezug auf den
Inhalt seiner Mitteilungen ein. Nicht nur durchschaute er nun
den Feldwebel, der andere einschüchterte und ihnen drohte,
um sich selbst das Gefühl der Sicherheit zu verschaffen, sondern er nahm auch das der Tyrannei des Feldwebels unterstellte Kind wahr - ein Wesen, das sich nach Zuwendung und Liebe
sehnte, jedoch nicht wagte, anderen dies zu erkennen zu geben.
Jetzt tauchte der Riese mit seinem gewaltigen Brustkasten über
kurzen Beinen, bekleidet mit kurzen Kinderhosen, vor seinem
inneren Auge auf. Ein Strom von Erinnerungen setzte nun ein;
es war eine Art Beichte, bei der sich der Patient nach und nach
zu seiner Schwäche, Schuld und Unsicherheit bekannte.
Weil ich fürchtete, ich müßte die Sitzung abschließen, ehe ein
definitiver Punkt erreicht war, wandte ich noch einmal CO2 an.
Diesmal war das Ergebnis weitaus dramatischer; er geriet in
einen Zustand der Ekstase, unter deren Nachwirkung er noch
den ganzen übrigen Tag verblieb: Am anderen Ende der Röhre
konnte er die Sonne sehen!
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So verbrachte der Patient die folgende Stunde in einem Zustand, den man am besten als Anbetung der Sonne bezeichnen könnte. Nicht der physikalischen Sonne, die bereits untergegangen war, noch einer halluzinierten Sonne, sondern dessen, was immer sie symbolisieren mag. Wir saßen noch lange beisammen, schweigend, nur ab und an ein Wort wechselnd, und auch vor meinem inneren Auge schwebte über unseren Köpfen
die Sonne fast spürbar im Raum, denn auch ich wurde von der
Ergriffenheit des Patienten, von der tiefen Dankbarkeit erfüllt,
die er für sie, die Quelle allen Lebens empfand.
Ich habe zuvor darzustellen versucht, wie nicht nur unter Ibo-
gain, sondern auch unter Harmalin-Wirkung ein gegebenes
Thema entweder als Bildsequenz erlebt oder lediglich kontem-
pliert werden kann, mit deren Inhalt sich der Analysand freilich
selten identifiziert. In diesem letzten Beispiel sind wir meiner
Meinung nach Zeuge einer Wiederholung jener Urerfahrung
gewesen - im Sinn des Ewigen und nicht des Zeitlichen aus
der sich alle Sonnenmythen sowie die Idee der Identität von
Gott und Licht herleiten. In den meisten Sprachen blieb die
Sinngleichheit beider Worte bis heute erhalten.
Den Rest des Tages hielten wir noch Rückschau auf seine
Erfahrung - ein Kompendium seines Lebens. Der Gorilla in
ihm, der Feldwebel, der große Mann, er sollte für den Patienten
nicht tragbare Schwächen und Schuldgefühle verbergen. Ein
Großteil davon war nichts anderes als Liebesbedürfnis bei
gleichzeitiger Angst, dieses Bedürfnis zu erkennen zu geben,
während die Schuldgefühle weitgehend aus dem Sexualbereich
herrührten. Die vor mir ausgebreitete Lebensbeichte bestand
größtenteils in der Geschichte seines Geschlechtslebens. Dieses
Thema zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Sitzung.
»Wie kann ich Sex und Sonne in Einklang bringen?« sagte er,
der sich mit zwei seiner Meinung nach unvereinbaren Welten
konfrontiert zu sehen glaubte: der des reinen Geistes und der
des Fleisches. Doch seine Skrupel zerstreuten sich bald, und
dann brach folgende Erkenntnis aus ihm heraus: »Der erigierte
Penis weist ja auch
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