Die Reise zum Ich
hatte. Ich war
ein »ewiger Student« gewesen, stets unbefriedigt, weil voll von
dem Wunsch, jenseits der Grenzen vorzustoßen, und dies in so
starkem Maße, daß es den Aufschub anderer Aspekte meines
Lebens bedingte. Ich hatte nicht viel getan (in gewissem Sinn
überhaupt nichts); denn ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, mehr zu erfahren als das, was mir geboten wurde. Bei dieser besonderen Gelegenheit jedoch (d. h., ehe ich mich am
1. Juli 1960 nach Arica, Chile, auf die Reise machte), fühlte ich
mich gedrängt, mit meinem Leben abzurechnen, als ob ich dem
Tod entgegenreiste; ich wollte sozusagen mein Testament machen. Ein Aspekt davon bestand in dem Verlangen, dem, was ich während meines Lebens als der klinischen pharmakologischen Forschung verschriebener Arzt gelernt, doch kaum weitervermittelt hatte, Ausdruck zu geben. Als Experimentator -
das heißt als Wissenschaftler, der sich die Erforschung des Unbekannten zum Gegenstand gewählt hatte - glaubte ich mich verpflichtet, meine Beobachtungen anderen zum Nutzen mitzuteilen. Nur auf diesem Weg, meinte ich, könnte ich dieses Kapitel meines Lebens abschließen. Vielleicht war ich von philanthropischen Zwangsvorstellungen oder von Selbstüberschätzung besessen, daß ich so dachte. Wenn ich jedoch dieses Werk noch einmal betrachte, nachdem es etliche Jahre in der Schublade
ruhte, finde ich, daß es sich durchaus als nützlich erweisen
könnte. Denn bisher wurde auf dem Gebiet der pharmakologisch unterstützten Psychotherapie nur wenig veröffentlicht, das auch einem breiteren Publikum zugänglich war; die Informationen über empfindungs- und imaginationssteigernde Mittel, von denen hier die Rede sein soll, beschränken sich auf Veröffentlichungen in ein paar wissenschaftlichen Zeitschriften.
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Obwohl ich dieses Buch 1970 in Kalifornien herausbrachte,
kam es doch größtenteils in den Jahren 1965-66 in Santiago de
Chile zustande, wo ich auch das MDA-Kapitel verfaßte und
dieses Werk als Buch der vier Drogen konzipierte. Zu jener
Zeit war ich in der psychiatrischen Forschung im Centro de
Estudios de Antroplogia Medica in der medizinischen Fakultät
der Universität Chile tätig. Diese Abteilung war auf Initiative
des Emeritus Dr. franz hoffmann, Professor der Physiologie,
eingerichtet worden, der dreißig Jahre früher das erste physiologische Institut in Chile gegründet hatte. In seinen Sechzigern entdeckte er, daß physiologische Forschung nicht alles sei, und
während sich seine Augen dem Transzendenten öffneten,
wurde er sich plötzlich der schmerzlichen Realität der Dehu-
manisierung der Medizin bewußt. Die Gründung des Zentrums
für medizinisch-anthropologische Studien galt dem Bemühen,
diesen Prozeß der Dehumanisierung auf seine theoretischen
und praktischen Aspekte hin gründlich zu erforschen und diesen Zustand zu beheben. Auf welche Weise die Verfolgung dieses Ziels mich zu den auf den folgenden Seiten beschriebenen Untersuchungen führte, ist eine lange Geschichte und dennoch ganz kurz, wenn man sie in der Information zusammenfaßt, daß hoffmann, was die Leitung des Instituts betraf, mehr von einem organischen als von einem organisatorischen Vorgehen hielt, was implizite bedeutete, daß er in der Förderung individueller Initiativen und Stile das höchste aller Güter sah.
Meine eigene Initiative fand in der Untersuchung der möglichen vitalisierenden Wirkungen von Drogen ihren Niederschlag, die zumindest im Augenblick eine breite Bahn des Wesensausdrucks freilegten und die eingewurzelten Perzeptionsschemata und durch sie bedingten habituellen Reaktionen des Individuums in die hinteren Ränge verwiesen.
Herrn Dr. hoffmann und der Universität Chile bin ich zu
großem Dank verpflichtet, daß sie mir die Möglichkeit gaben,
neun Jahre meines Lebens hindurch zu tun, was ich wollte, -
Jahre, die nicht nur an sich produktiv waren, sondern auch die
Grundlage für alle späteren Einsichten lieferten. Allein der
völlig
entspannten
Atmosphäre
dieser
Arbeitsbedingungen
habe ich es zu verdanken, daß ich mich uneingeschränkt der
Erforschung des mir Unbekannten widmen konnte: Die Befreiung von allen Nebenpflichten erlaubte es mir, Erfahrungen aus erster Hand zu sammeln, und gerade dieser Mangel an äußerem
Druck katapultierte mich paradoxerweise mitten in den inne12
ren Raum hinein - ein voll Zuversicht unternommener, dennoch riskanter Sprung ins Unbekannte. Wenn ich nunmehr sieben Jahre später
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