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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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wollen Sie damit bei
    sich erreichen? Und welcher Art ist die Befriedigung, die
    Ihnen dieses Druckausüben gewährt?
    Ja, das Druckausübende fühlt sich befriedigt. Es will drük-
    ken, es gewinnt Lust daraus.
    Wehren Sie sich nicht. Lassen Sie es geschehen, lassen Sie
    sich unter Druck setzen. Versuchen Sie nicht auszuweichen,
    seien Sie jetzt das Opfer, setzen Sie der Qual ein Ende.
    Sie brauchen zum Leiden keine Kraft. Wenn Sie Widerstand
    leisten, brauchen Sie welche, wenn Sie aber ...
    Versuchen Sie jetzt, sich nicht zu widersetzen.
    115

    Lassen Sie locker. Halten Sie nicht ein.
    Locker, locker. Lassen Sie alles sein.
    Leisten Sie keinen Widerstand. Widersetzen Sie sich nicht,
    empfinden Sie nur. Öffnen Sie sich so weit wie möglich und
    empfinden Sie.
    Was empfinden Sie jetzt?
    Ich sah Sie zum ersten Mal von einer lebhaften Aktivität
    durchströmt. Fühlen Sie sie?
    Spüren Sie kein Verlangen nach dieser Aktivität, so als wollten Sie wieder zu ihr zurück? Keine Freude an dieser Bewegung?
    Nur Verzweiflung?
    Diese Müdigkeit ist wie ein Totsein, ein graues Totsein,
    fehlende Energie, und all diese Energie staut sich jenseits
    von Ihnen.
    Ich bin überzeugt, daß Sie unter Druck diese Energie, die
    nötige Kraft entwickeln.
    Also müssen Sie diese andere Partei werden, wenn Sie die
    Kraft haben wollen.
    Es könnte sein, während Sie unter Druck sind, während Sie
    sich dem, was Druck ausübt, öffnen, könnte es sein, daß Sie
    spüren, daß Sie sich selbst diesen Druck wünschen.
    Ich möchte, daß Sie darüber sprechen, der Druck will Sex.
    Können Sie dabei verweilen, deutlicher sagen, wie es sich
    anfühlt? Doch versuchen Sie, Druck auszuüben, während Sie
    darüber sprechen. Sagen Sie, was Sie als Druckausübende
    Vorhaben.
    Können Sie den Druck als Trieb erleben, als für Sie befriedigend? - - - Ihr sexuelles Verlangen, Ihre Wut, Ihre Ver116

    zweiflung? Ihre Sehnsucht?
    Sie haben es noch nicht geschafft, sich mit dem Druckaus
    übenden zu identifizieren.
    Nun, tun Sie es, auch wenn Sie keinen Genuß darin finden,
    lassen Sie es laufen, wie es läuft. ›Ich bin derjenige, der Sie
    unter Druck setzt.‹ Beginnen Sie, selbst wenn Sie es nicht
    spüren. Spielen Sie einfach mit.
    Sprechen Sie über was Sie wollen. Sie, die sich selbst derart
    unter Druck setzt, was für ein Mensch ist sie . . .«
    An diesem Punkt kam der Patientin die entscheidende Einsicht,
    die der Sitzung Erfolg bescherte. Da sie nunmehr imstande war,
    aus der mentalen Position des Opfers in die der »Druckaus
    übenden« überzuwechseln, vermochte sie zu erkennen, daß
    jenes Etwas, das ihren Schmerzen zugrunde lag, nichts anderes
    war, als Begierde nach allem und jedem - ihre eigene infantile
    Unersättlichkeit. Nun ging ihr ein Licht auf, und sie empfand
    sogar Belustigung bei dem Gedanken, daß ihre Begierde sich
    mit unbarmherzigem Druck gegen sie selbst gewandt hatte.
    Meister eckhart hat einmal gesagt, all unsere Begierden seien
    letztlich Begierde nach Gott. Viele würden diesen Gedanken
    vielleicht anders ausdrückcn und von Sehnsucht nach Vollkommenheit oder nach dem absolut Guten oder von Eros sprechen.
    Dennoch ist all diesen Auffassungen gemein, daß sie implizite
    eine Einmütigkeit anerkennen, die jenseits aller scheinbaren
    Pluralität menschlichen Begehrens ist. Schon im Auftreten bestimmter Begierden selbst drückt sich die Überzeugung aus, daß die Verwirklichung ihrer Ziele das Glück bringt. Natürlich
    ist das nicht der Fall, doch sind innere, das heißt unbewußte
    Überzeugungen durch Vernunftdenken oder gar Erfahrung
    nicht zu erschüttern. Daher werden die meisten Diebe vom
    Stehlen nicht glücklich und die Geldraffer trotz ihrer Reichtü-
    mer nicht zufriedener. Wann immer der Heilprozeß zur Einsicht in diese Zusammenhänge führt, fühlt sich die Person jeweils von Begierde befreit, da sie in ihr nur noch ein Mittel zum Zweck sieht, noch dazu ein oft unangemessenes umwegiges
    Mittel. Wenn also der Dieb zu der Einsicht gelangt, und zwar
    auch mit Hilfe seines Gefühls und nicht nur mit dem Verstand,
    daß sich im Stehlen der Wunsch äußert, von anderen etwas zu
    erhalten, wird er beginnen, um Liebe zu betteln. Und wenn der
    neurotische Intellektuelle seine Begierde nach Anerkennung
    117

    durchschaut, wird er das Prestige-Spiel nicht mehr mitmachen,
    da dem akkumuliertem Wissen nunmehr kein Wert innezuwohnen scheint.
    Ich glaube, daß mit einer Erfahrung der Art der hier dargestellten, die die

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