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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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weinte. Ich weine auch jetzt
    noch und jedes Mal, wenn ich mich daran erinnere. Ich ziehe
    mich in mich selbst zurück, um daran zu denken und zu
    weinen.
    Wieder im Nichts. Ich fühle die Fülle in der Entspannung,
    wie nach einem großen Schmerz. Ich bin wieder auf dem
    Boden und höre die schnellen Rhythmen der Radiomusik.
    Jetzt ist es mein Leib, der reagiert, nicht meine Seele oder
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    mein Geist. Ich fühle, daß ich ein Hündchen bin. Ich bin von
    anderen Hündchen umgeben und spiele mit ihnen. Ich höre
    ihr drolliges Bellen. Dann glaube ich, ich bin eine Katze ...
    nein! Ich bin ein Pony! Ich galoppiere. Nun bin ich so etwas
    wie ein Tiger . . . wie . . . Ich bin ein Panther! Ein schwarzer
    Panther! Ich verteidige mich, ich richte mich auf. Ich
    schnaufe mächtig, mit dem Atem eines Panthers, Raubtieratem! Ich bewege mich wie ein Panther, meine Augen sind die eines Panthers, ich sehe die Haare meines Schnurrbarts.
    Ich brülle und ich beiße. Ich reagiere wie ein Panther: Angriff
    ist die beste Verteidigung.
    Jetzt höre ich Trommeln. Ich tanze. Meine Gelenke sind
    Verzahnungen, Scharniere, Naben. Ich kann ein Knie sein,
    ein Bolzen, kann irgend etwas, ja fast alles. Und kann mich
    wieder verlieren in diesem Chaos des Nichtseins und der
    Wahrnehmung
    vager,
    abstrakter
    Ideen
    sich
    wandelnder
    Form, wo es eine Eingebung der Wahrheit aller Dinge und
    eine Ordnung gibt, die zu entdecken man sich erst anschickt.«
    Und gegen Ende der Sitzung, vier Stunden später:
    »Wieder Nichtheit, Müdigkeit. Ich knie auf dem Boden,
    meine Hände auf dem Läufer, lasse den Kopf hängen. Ich
    fühle die Welle zurückkommen, Schwindel ergreift mich. Ich
    presse mich gegen den Boden ... Ich bin auf einem Deckel
    ... ein großes Rad, das zugleich ein Deckel ist, den ich
    öffnen muß! Ich mühe mich bis an die Grenzen meiner Kraft,
    um es zu drehen, greife in die Speichen. Der Deckel dreht
    sich. Plötzlich befinde ich mich unter ihm, auf einem großen
    Rad mit Speichen und Zwischenräumen. Es hat in der Mitte
    eine dicke Achse, die es mit dem Deckel zu verbinden scheint
    und unter dem Rad, auf dem ich jetzt sitze, noch weiter geht.
    Wie bin ich hier heruntergefallen? Ich kann es mir nicht
    erklären. Ich merkte es nicht, als ich fiel. . . Hier muß ich
    heraus . . . Muß raus! Nach oben ist es unmöglich. Es kann
    nur nach unten. Jenseits der Stangen herrscht tiefe Finsternis. Vielleicht werde ich jene Röhre der Leerheit herunterfallen ... Es macht nichts ... Ich muß hier raus, fort von diesem Rad, das in diesem Tunnel ohne Wände hängt. Vielleicht mit Hilfe des Mechanismus der Achse ... Ich weiß, daß sich dieses Rad nach oben oder nach unten verschieben
    läßt. Verzweifelt taste ich den Mechanismus ab. Ich höre den
    Arzt zu mir sagen: ›Seien Sie selbst die Achse!« Überra-
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    schung. Ich beginne mich wie eine Achse zu fühlen. Stählern,
    hart, drehe mich, drehe mich, drehe mich mit Geräusch. Ich
    bin die Achse, Stunde um Stunde . . .Ich hab keine Zeit
    mehr, eine Achse zu sein. Ich drehe mich mit Geräusch. Ich
    drehe mich, drehe mich, drehe . . .Ich spüre, daß ich meine
    drehende Achse rechts anhebe, langsam steige ich an die
    Grenzen der Dehnbarkeit - immer noch Achse. Dann greift
    meine Hand nach vorn. Ich habe einen Dolch in der Hand
    und will töten! Ich werde töten! Ich tue einen Schritt vorwärts
    um zu töten. Ich bin im Begriff, eine . . .eine. . .eine. . .
    Mumie zu töten! Wie entsetzlich das ist! Es ist der mumifizierte Leichnam einer Frau, vertrocknet, mit einer braunen ledrigen Haut, und sie hat eine Binde über den Augen! Und
    sie lächelt, zugleich grausig und süß, als hätte sie liebliche
    Träume oder lausche ironisch, was vor sich geht. Zweimal
    stoße ich den Dolch tief in sie hinein. Es fühlt sich an als ob
    Leder zerreißt. Ich komme mir gemein vor, verrückt. . .«
    Diese Ausschnitte dürften genügen, um ein paar typische Ibo-
    gain-Motive zu verdeutlichen: Licht (vornehmlich weißes und
    blaues), Tiere (speziell Raubtiere), rotierende Bewegungen,
    kreisrunde Formen sowie auch die Röhre. Diese scheint sich in
    unserem Beispiel mit Dunkelheit, Abwärtsbewegung und dem
    Eingeschlossensein zu einem Komplex zu verbinden, der in
    polarem Gegensatz steht zu jenem weißen Lichtstrahl und dem
    zu Anfang empfundenen Freiheitsgefühl. Später werde ich in
    diesem Kapitel noch eingehender darstellen, inwiefern das
    Sinnbild der Röhre in Ibogai'n-Sitzungen eine wichtige Rolle
    spielt,

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