Die Reise zum Ich
sinnlicher
Wahrnehmung beruht, sondern auch ein gewisses Maß an Einfühlung voraussetzt, und ein Roman für uns belanglos wäre, könnten wir uns nicht in seine Charaktere hineinversetzen oder
sie als Agierende auf unserer inneren Bühne sehen, so ist es
auch mit der Produktion von Wachträumen. Ob sie einer Person ganz uninteressant oder als sinnloses Hirngespinst erscheinen, wird ganz allgemein von ihrem Verhältnis zum eigenen Unterbewußtsein abhängen wie auch vom Vorgehen des Therapeuten während der Sitzung. Doch bin ich der Meinung, daß der Analysand auch hier zu gewissem Grade pharmakologisch
gesteuert werden kann: Diesen Punkt, nämlich die Frage der
Kombination
von
Ibogain
mit
gefühlssteigernden
Drogen,
werde ich später erörtern.
Im Kommentar des Patienten heißt es weiter, die Sitzung sei in
Anbetracht seiner romantischen Erwartungen für ihn überraschend verlaufen: Statt der Erfahrung der Integration in die
»kosmische Ordnung oder die Rasse« oder des »Einfachen,
Ursprünglichen, Elementaren und Tellurischen«, kurz des Mysteriums, mit der er gerechnet hatte, habe er »eine eigene Welt«
angetroffen,
»die zu gewissem Grade mit meinen gesamten Lebenserfahrungen koinzidieren mag, die freilich nicht so zahlreich sind, wie mir lieb gewesen wäre, doch immerhin meine sind . Ja. Es
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war eine Mischung aus Ernüchterung und Wunder. Ein
Wunder. Die blaue Blume, die blüht bei dir in deinem
Haus.«
Dies halte ich für eine signifikante Aussage, da sie uns etwas
über eine Erfahrung berichtet, die buchstäblich keinerlei personalen Inhalt hatte. Diese Feststellung steht nun scheinbar zu der des Patienten im Widerspruch, der ja für sich in Anspruch
nahm, den Reichtum seiner eigenen Welt entdeckt zu haben.
Wir dürfen es anders ausdrücken und sagen, das einzige personale Element war die Erfahrung seiner selbst als dem Sammelbecken all seiner Gefühle und als Urheber seiner Vorstellungen und damit auch seines Handelns. Doch waren es nicht die
Empfindungen, Vorstellungen und Handlungen seines bewußten Lebens. Dem Beobachter wären seine Bewegungen eher ritualisiert vorgekommen denn als praxisbezogen, und ebenso
bewegten sich seine Empfindungen im Bereich des Religiösen
oder Ästhetischen und sein Imaginieren sich im Bereich des
Mythischen, nicht des Persönlichen. Und während diese Erfahrung zu jener Zeit von besonderem innerem Wert für ihn war, hatte sie eine Steigerung der ästhetischen, religiösen und mythischen Obertöne in der Realität des Alltäglichen, kurz, vermehrte Inspiration im Gefolge, was ihm ein Gefühl tiefster Befriedigung gewährte.
Erst gegen Ende der Sitzung, während der letzten oben zitierten Sequenz, wird der Konflikt sichtbar, und hinter dem Schleier der symbolischen Mordszene vermögen wir etwas von
seiner persönlichen Wirklichkeit zu spüren. Daß sie die letzte
Episode des Traumgeschehens war. läßt darauf schließen, daß
noch mehr persönliches und psychopathologisches Material
hätte zutage gefördert werden können, aber leider verdrängt
wurde; und von diesem wissen wir nichts. Ich aber weiß - aus
anderen Fällen -, daß eine visionäre Erfahrung nicht notwendigerweise die Transzendierung eines dauernden menschlichen Konflikts einbegreifen muß. Sie kann auch lediglich erkennen
lassen, daß dieser nicht aus der realen oder imaginären Situation herrührt, auf die sich die Aufmerksamkeit des Probanden richtet.
Ich denke, es könnte in diesem Zusammenhang dienlich sein,
die visuelle Erfahrung nicht nur auf ihre Qualität, sondern auch
auf ihre Vollständigkeit hin zu untersuchen. Außer den von mir
erwähnten archetypischen visuellen Erfahrungen, die insofern
nicht vollkommen gelungen waren, weil der Patient sich von
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den (symbolischen) Vorgängen nicht betroffen fühlte, gibt es
auch andere, bei denen das motorische Element mit nur geringen ideativen Beimengungen dominiert, oder - bei Anwendung zusätzlicher Drogen - die Empfindungen nicht mit der Handlung oder deren Deutung Zusammenhängen. Nach meiner Meinung bestand die Unvollkommenheit in diesem Fall in mangelnder Bezugsfähigkeit. Der extrovertierte Patient unseres vorigen Beispiels erlebte Erfüllung im Umgang mit anderen
Menschen (sogar schon beim Betrachten von Fotos) und Gegenständen, der introvertierte Patient unseres letzten Beispiels hingegen brachte sich selbst am besten in Imagination und
Bewegung zum Ausdruck und nicht in der Wahrnehmung
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