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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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anderer Erfahrungsqualität gewesen. Die Sex-Szene, als seine Mutter seinen Vater abweist, oder die
    Kastration durch die Löwin und ebenso eine weitere, der Kürze
    zuliebe nicht angeführte Traumsequenz waren mehr Ausdruck
    seiner Psychopathologie als seines Normalzustands, mehr der
    aufgesplitterten Persönlichkeit als seines »Selbst«. Während
    das Leben, wenn es in seinem natürlichen Rhythmus dahinfließt, der beste Psychotherapeut sein kann, trifft dies stets nicht zu, wenn die Sub-Egos der Person in Konflikt geraten. Hier
    sieht sich der Psychotherapeut erst wirklich gefordert. Hier ist
    es seine Aufgabe - wie bei den Shamanen der Eskimos -
    verlorengegangene Seelen wieder zu finden. Dementsprechend
    werden es die dunkleren Seiten der Ibogain-Erfahrung sein,
    von dem der größte Teil dieses Kapitels handelt.
    Ehe wir uns indes in diesen Bereich begeben, müssen wir uns
    mit der charakteristischeren Form der visionären Erfahrung bei
    Ibogain befassen, - genau jener Art von Erfahrung, die der
    Proband unseres Beispiels nicht an den Tag legte. Während sich
    in seinem Fall, vermutlich aufgrund seiner extrovertierten Natur, die visionäre Erfahrung in seinem Verhältnis zur Umwelt niederschlug, reflektiert sie sich in anderen Fällen in der Innenwelt durch das Medium der Imagination, deren symbolische Bilder oft von überwältigender Schönheit sind oder halbverschleiert den Inhaltsreichtum des Mythenhaften aufweisen.
    Hier bewegen wir uns im Bereich der archetypischen Erfahrung
    - im gebräuchlicheren Sinn des Begriffs Archetypus, wobei das
    Schwergewicht auf der visuellen Darstellung liegt -, wiewohl
    ich zumal nach meinen Experimenten mit Ibogain der Meinung
    bin, daß das visuelle Symbol nicht die archetypische Essenz
    wiedergibt, sondern diese sich in der vermittelten Erfahrung
    niederschlägt, die ebenso in motorischer Bewegung Ausdruck
    finden kann (Tanz, Ritual) wie auch in Projektion auf die
    Wahrnehmung der Außenwelt - wie bei unserem Patienten der
    Fall. Er sah die Dinge plötzlich neu, »als hätten sie zuvor nicht
    existiert«, und war nun imstande, hinter die Masken der anderen zu blicken und mit deren wahren Selbst in Kommunikation zu treten und bei der Betrachtung der Fotos in der jeweiligen
    Geste ein Symbol beziehungsweise die Verkörperung einer
    transzendenten Intention oder aber im Gegenteil die absolute
    Bedeutungslosigkeit einer Geste zu erkennen. Wie weit man
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    hier von archetypischer Wahrnehmung - im üblichen Sinn des
    Wortes - oder von archetypischer Bewegung oder Aussage,
    oder archetypischem Denken oder auch von archetypischer
    Imagination sprechen kann oder nicht, muß man doch gerade
    letztere als gesonderten psychologischen Prozeß, als Teil einer
    nur flüchtigen oder auch länger andauernden Erfahrung während der Sitzung betrachten, die etwa die Hälfte aller mit Ibogain behandelten Personen erlebte. Ich bringe hier Ausschnitte
    aus einer Aufzeichnung einer solchen Erfahrung:
    »Ich sehe Blau , blau, blau. Ich sitze auf dem Boden, den
    Körper aufgerichtet. Mühelos kann ich mich im Sitzen
    rundum drehen. Alles ist blau .. . blau ... Alles ist schön. Ich
    strecke meinen Arm aus und ziehe im Drehen einen Kreis um
    mich. Ich sitze immer noch auf dem Boden und ziehe einen
    weißen Kreis um mich inmitten dieser türkisblauen Atmosphäre, in der ich schwebe. Dann ziehe ich mit der Hand einen kleineren weißen Kreis und blicke aufwärts dabei. Ich
    bin völlig eingehüllt in diese blaue Atmosphäre, in der ich
    ringsum einen weißen Kreis entdecke und einen kleineren
    darüber . . . Auch Weiß. Diese Atmosphäre ist dicht. Ich
    versuche, durch meinen oberen Kreis zu blicken ... ein
    Periskop? Was sehe ich dort? Ein klares Licht leuchtet auf in
    dieser dichten blauen Atmosphäre. Es wird ein Lichtstrahl
    daraus. Ich blicke durch meinen weißen Kreis, schaue, mehr
    Licht fällt in die Röhre, mehr weißes Licht, mehr und mehr ,
    mit blendender Gewalt, und immer noch mehr. Immer mehr.
    Ich blicke durch den weißen Lichtstrahl hindurch und weiß,
    daß Er dort ist, Er, und . . . jenes Licht, jene Röhre. Jener
    ungeheure weiße Strahl ist jenseits blau, blau, Blau'. Und es
    ist ein anderes Blau als das erste. Ein reines, lichtes Blau,
    transparent, ewig, endlos, seren, aufwärtssteigend, das ist das
    All'. Weiß-blau, das ist körperlose Ferne, unermeßliche ungeheure Größe. Uber jedes Gesetz erhabenes Universum.
    Das war Gott. Gott. Gott.
    Es kam ganz überraschend. Ich

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