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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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»Manche Gesichter erschienen mir sehr schön und ausdrucksvoll«, berichtete er später. »Andere empfand ich als abweisend, ängstlich, sie zeigten ihre Schönheit nicht, sondern verbargen sie hinter Angst.« Die
    Wahrnehmung, daß die meisten Menschen Masken trügen, wie
    er es ausdrückte, verfolgte ihn noch den ganzen nächsten
    Tag.
    Nach der Sitzung spürte der Proband, daß die Drogenerfahrung
    in mehrfacher Hinsicht ergiebig für ihn gewesen war. Einen
    Monat darauf glaubte er auf verschiedenen Gebieten eine Besserung zu verspüren. In seiner Niederschrift heißt es:
    »Schärfe der Wahrnehmung, Enthüllung des Wahren und
    Echten: Die Erkenntnis, daß es Unrechte und unvollkommene Dinge in der Welt gibt, vernunftwidriges menschliches Verhalten, nur halb vollendete Werke ... Ich spüre jetzt das
    Bedürfnis, darüber hinaus zu gelangen. Und so bejahe ich
    Aggression deshalb, weil sie ein Mittel zu diesem Zweck
    ist.«
    An dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß der Proband, der
    trotz seines Wunsches nach Drogenerfahrung ein zufriedener,
    unbeschwerter,
    passiver
    Viscerotoniker
    war,
    nunmehr
    weit
    zielstrebiger, aktiver und entschlossener wurde.
    Ein weiterer Gewinn seiner Erfahrung, berichtete er, bestand
    in der Klärung seiner familialen Beziehungen. Er sah jetzt seine
    Eltern, wie sie wirklich waren; und er begriff, wie »kastrierend«
    das Verhältnis zu seiner Mutter gewesen war.
    Ein dritter Gewinn bestand für ihn in der Entdeckung des
    Körpergefühls, der Erfahrung, daß sein Körper ein Ausdrucksmittel war, was ihm beim Tanzen bewußt wurde. »Die Erfahrung war mir sehr wichtig«, sagte er, »daß ich Bewegungen mache, die mir nicht eigen sind, sondern entlehnt, zweckgerichtet - nicht Äußerungen meines innersten Seins.« Die Fähigkeit der Unterscheidung zwischen dem, was seinem »inneren Sein«
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    entspringt und dem, was ihm nicht wirklich entspricht, scheint
    auf der gleichen Bewußtseinsebene zum Durchbruch gekommen zu sein, die ihn zwischen echt und unecht in anderen Bereichen unterscheiden läßt, und ist die Quelle seines neuen
    Verlangens nach größerer Erlebnistiefe, Aktivität und vertieften menschlichen Beziehungen. Sie ist es vermutlich auch, der ein anderer Erkenntnisfortschritt zu verdanken war: ». . . daß
    die Menschen deshalb Masken tragen, weil sie ihre Ängste
    dahinter verbergen.«
    Gleichzeitig ging ihm zu guter Letzt auf, daß sein vermeintlicher Mangel an Religiosität und all seine religiösen Schwierigkeiten lediglich imaginär waren.
    Hier muß hinzugefügt werden, daß unser Proband - ein frommer und ziemlich bekehrungseifriger Katholik - eine Klosterschule besucht hatte und mehreren kirchlichen Organisationen angehörte. Menschen, die ihn näher kannten - und auch mir-erschien seine Religiosität etwas konventionell. Bei diesen »religiös« etikettierten Problemen ging es vorwiegend um die Entscheidung, wie weit und in welcher Form die Autorität der Kirche zu respektieren sei. Bemerkenswert war indes in diesem
    Fall, daß ihm nicht bei der Kontemplation seiner Lebensprobleme die Erleuchtung kam, nämlich daß religiöse Überlegungen dieser Art und die eigentliche religiöse Erfahrung zwei ganz verschiedene Dinge sind, sondern bei der Betrachtung der Bilder in The Family of Man : Auf einem der Fotos war ein in tiefste Andacht versunkener buddhistischer Mönch zu sehen,
    auf einem anderen daneben ein Mann, der in götzendienerischer Ehrfurcht vor einem kirchlichen Würdenträger kniete.
    Die hier nur gekürzt wiedergegebene Sitzung erbrachte eine
    ganze Reihe von erhellenden, therapeutisch ergiebigen Situationen: Entspannung, Tanz, Kontemplierung von Gegenständen, Fotos und Personen, Ausagieren von Traumfantasien, Traumverarbeitung und gesteuerter Wachtraum - alle als mögliche Wege zur Selbstentfaltung, zur Selbsterfahrung sowie auch
    zu
    komplizierteren
    psychotherapeutischen
    Verfahrensweisen. In diesem speziellen Fall darf man das Fazit ziehen, daß
    der durchlaufene Prozeß der Selbst erfahrung, der Selbst fin-
    dung, des Selbst ausdrucks der Kontaktfähigkeit zur Umwelt
    zum Vorteil gereichte. Das elementare Erleben des Tanzes
    hatte für ihn in der Entdeckung des eigenen Stils , der eigenen
    Bewegung bestanden, und zur Entdeckung der Wahrheit der
    Dinge wurde er durch die Betrachtung äußerer Objekte und
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    Personen mit eigenen Augen geführt, deren Funktion er in
    gewisser Hinsicht hatte brachliegen lassen. Seine Traumvisionen indes waren von

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