Die Rekonstruktion des Menschen
des Ganzen, der in sich selbst ein ganzes Raumschiff ist, damit er ihn, die Gesetze von Raum und Zeit mißachtend, schneller als das Licht zu dem Ort bringt, aus dem einmal er und seine Urväter hervorgegangen sind.
Rudier kreist im Raum und wartet. Ausgebreitet auf Dutzende Kilometer, saugt er mit jedem Atom des Raumschiffkörpers die Strahlung der Sterne ein, durchkämmt die letzten Winkel des Himmels in der Hoffnung, eine Strahlung aufzufangen, die wenigstens ein einziges »Lebensquant« in sich trägt. Das ist alles, was er für sie tun kann – das nächste Ziel ihrer unendlichen Wanderung auszumachen. Aber der Himmel schweigt. Sie hatten ja auch viele Jahre hindurch gesucht, bis sie eine austrocknende Quelle gefunden hatten. Warum also sollte ihm das Glück hold sein?
Der unter ihm dahinfließende scharlachrote Ozean ist verblaßt, grau geworden.
»Orst und Paldan haben sich der Transformation unterzogen.« Er erkennt die Stimme Nezers, der geblieben war.
»Wenn du willst, schau es dir an.«
Rudier hat Angst, aber der Wunsch, die Welt, die ihm so viele Jahre seines Lebens gestohlen hat, zu verstehen, siegt über die Furcht; sein von den anderen Sinnen isolierter Blick wandert automatisch nach unten, durchdringt die sumpfige Wolkenwand, und Rudier sieht die Oberfläche des Planeten mit den Augen des Menschen, der vor der steinernen Mauer steht.
»Bist du das, Nezer?«
Vor ihm ist die senkrechte Mauerfläche. Zwei menschliche Gestalten stehen mit weit ausgebreiteten Armen an der schwarzen Spiegelwand, die eine mit dem Gesicht im Inneren, die andere mit dem Gesicht nach außen, zwei halb in den Stein eingetauchte Körper, so als hätte man mit einem senkrechten Schnitt einen Menschen halbiert und die beiden Teile nebeneinander an die Mauer gelehnt.
Rudier möchte sich nach hinten werfen, sich vor dem abwesenden Blick des Gesichts, das geblieben’ ist, verstecken. Nezer jedoch bleibt stehen.
»Ruhig!« sagt er in die Stille hinein. »Du weißt doch…« Ruhig… als ob das Wissen etwas bedeuten würde gegenüber der Angst vor der schwarzen Magie, von der die drei nichts ahnen. Es ist also wahr, daß ihre Körper Steine durchdringen können und ihr Bewußtsein andere Persönlichkeiten in sich aufsaugen, durch das Neuronenlabyrinth fremder Sinne wandern, sich in elektronische Schaltkreise und monokristalline Maschinen transformieren kann. Aber man braucht Zeit, um sich daran zu gewöhnen, sich diese Veränderungen, die aus einer jahrhundertelangen Evolution der ganzen Gesellschaft resultieren, anzueignen. Und was sind die Mauern der Stadt, mit denen er so viele Jahre gelebt hat, anderes, wenn nicht das gigantische System einer Phantommaschine, erzeugt aus einem monokristallinen Gestein, das Milliarden von Wesen in sich eingesaugt und ihre Psyche in molekulare Stromkreise einer phantomatischen Welt transformiert hat? Das sind nur zwei extreme Modelle der Zivilisation: die menschliche, die mit ihrer Expansion die gesamte Sphäre des Makrokosmos umschließt, sich unaufhaltsam auf Tausende von Lichtjahren ausdehnt; andererseits die Zivilisation dieses Planeten, die die submolekulare Schwelle der Materie überschritten hat auf der Suche nach Bedingungen, die eine beliebige Kreation der Welten erlaubt, modelliert durch Mechanik und Quanten-Elektrodynamik.
Und es besteht dabei nur ein grundlegender Unterschied: Der Mensch hat es vermocht, die neue Umwelt zu assimilieren, in psychischen und materiellen Kategorien, die Wesen dieses Planeten hingegen haben das Element einer perfekten Symbiose nicht beachtet, sie hat ihre Welt, jede Pflanze, jedes Tier, sogar die Steine in einem präzisen Mechanismus der Materienumwandlung eingeschlossen, der die einzelnen Glieder der Biosphäre ineinander verzahnt. Es braucht nur ein Glied zu fehlen, und alles fällt in sich zusammen. Darum haben sie, als sie ins Gelobte Land hinübergingen, modelliert in einem Quantenhomöostat einer phantomatischen Welt, das ursprüngliche Bild ihrer Welt zum Untergang verurteilt und mit ihm sich selbst, denn es ist ihnen nicht gelungen, die Bindungen der Mikro- und Makrowelt, verkörpert in der Struktur der Steine, vollkommen zu lösen. Wenn also heute der lebende Stein bei der geringsten Berührung bröckelt, dann geschieht das nach dem Gesetz der determinierten Hysteresis, und die zwei Gestalten, ausgebreitet in einem der wenigen erhalten gebliebenen Spiegel, sind die einzige Brücke zwischen zwei Polen der Welt.
Der, dessen Gesicht außen geblieben ist,
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