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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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oder auch dessen, was wir Intuition zu nennen pflegen, fertig werden.«
»Einen Moment…«, unterbrach Rudier. Er versuchte krampfhaft, sich an etwas zu erinnern. Wenige Schritte von ihm entfernt löste sich der Kreis auf, in dem vor kurzem die Wachstumsexplosion der rosa Kletterpflanzen stattgefunden hatte, und wurde von der Straße verschluckt. »Deshalb habt ihr also, als ich euch fragte, ob ihr drei seid, geantwortet: ›In gewissem Sinne‹?«
»Ja. Natürlich hätte auch einer von uns mit dir Kontakt aufnehmen können, aber es ist bequemer, wenn es das System tut, das hier im All durch die psychischen Funktionen eines jeden von uns fixiert ist.«
»Ich unterhalte mich also die ganze Zeit nicht mit einem einzelnen von euch, sondern mit dem System?«
»Natürlich.«
Rudier stand in sich zusammengesunken auf der wieder völlig glatten Oberfläche des Gehsteiges, sogar die Staude roter Orchideen war spurlos verschwunden.
»Hast du noch eine Frage?« hörte er sie sagen.
Er wollte gleich verneinen, hob jedoch nur den Kopf etwas höher. »Vielleicht noch eine letzte«, sagte er langsam. »Wer seid ihr?«
»Wir verstehen dich nicht, Rudier?«
»Wenn ihr keine Menschen seid, müßt ihr doch irgend etwas anderes sein.«
»Wir sind Menschen, Rudier.«
»Eigenartig… Was bin dann ich? Außer unserem Aussehen haben wir, wie behauptet, nichts gemeinsam. Wenn ihr also Menschen seid, dann kann ich kein Mensch sein… und umgekehrt.«
Er drehte sich auf dem Absatz um und ging mit schnellen Schritten vorwärts, ohne darauf zu achten, daß die eben gehörten Worte in ihm noch nachklangen, ohne zu versuchen, sie zu unterdrücken. Es genügte, nicht mehr an sie zu denken, und sie zerfielen zu einem kaum wahrnehmbaren Gemurmel, so als würde der Wind trockene Blätter, die fast schwerelos sind, über den Sand wirbeln.
Er ging in der Mitte der leeren Straße, in einer Fahrbahnrinne zwischen den Häuserblöcken, die immer neue Durchgänge freigaben, setzte seine Wanderung in Richtung Stadtrand unbeirrt fort. Plötzlich erhob sich hinter den Gebäuden eine himmelhohe Wand, schwarz und spiegelnd. Diese Mauer mit ihrem gekerbten Rand umgab die ganze Stadt wie eine mittelalterliche Festung. Die Gebäude der Stadt standen in gewisser Entfernung von dieser Wand. Die glänzende Platte, aus der sie aufragten, bildete übergangslos eine senkrechte glatte Fläche ohne Tore und natürliche Spalten. Nur an einer Stelle waren die Mauern wie unter ihrer eigenen Last zusammengefallen; sie waren jedoch nicht zu einem Haufen loser Brocken zusammengestürzt, sondern seltsam eingesunken, wie durch eine innere Instabilität der Steinstruktur, und eröffneten dadurch einen Zugang zu der toten Stadt, die man einst ohne Tore erbaut hatte.
Rudier ging auf diese Bresche zu, seine Schuhe wirbelten Staubwölkchen feinen Rußes auf. Automatisch blickte er über die Schultern zurück und empfing noch einmal die Stadt mit seinem Blick.
»Auch deine Zeit wird kommen«, flüsterte er und ging zwischen den Mauerresten weiter.
Als er auf der anderen Seite angelangt war, klopfte er sich gewissenhaft die Schuhe an einem vertrockneten Grasbüschel ab. Der Himmel verschmolz sein Scharlachrot mit der violetten Heide, die, wohin man auch sah, das flache Tal überwucherte. Nur weit am Horizont verriet ein dunkler Streifen die Existenz einer weiteren Stadt. Die eintönige Ebene verdeckte den steinernen Grund mit lila Gewächsen wie mit einem Schimmelteppich, den von unten her die Hügel der einsamen Inselstädte durchstießen.
»Wohin willst du gehen, Rudier?« hörte er.
Er stand hochaufgerichtet, seine blicklosen Augen schienen das plötzlich aufgetauchte Hindernis »Wohin?« anzustarren. Er schwieg.
»Du hörst und verstehst uns doch? Warum genügt dir das nicht, um einzusehen, daß uns gar nicht so viel trennt? Wo immer wir auch sind, wie immer wir auch sind, solange wir uns verstehen, sind wir alle Menschen.«
»Was wollt ihr von mir?«
»Informationen. Du hast viele Jahre hier gelebt, du hast viel kennengelernt und mußt viel verstehen.«
»Und was gebt ihr mir dafür?«
»Du wirst zurückkehren können, wohin immer du willst.«
»Glaubt ihr? Dieser Ort existiert nicht mehr.«
»Das mußt du selbst entscheiden. Uns interessiert dieser Planet, wir sind nicht zufällig hier.«
»Was wollt ihr finden? Ruinen von Städten? Solltet ihr nicht die Regel des Kosmos kennen, daß man außer Planeten, die tot sind seit ihrem Bestehen, meistens nur Ruinen findet?«
»Aber das da

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