Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
Vom Netzwerk:
du das nächste Ziel unserer Reise gefunden hast«, hörte er ihre Stimme. »Das war nicht nur ein Glücksfall, denn wir haben schon viel länger gesucht.«
»Reiner Zufall, jemand mußte es ja sein. Früher oder später hättet auch ihr…«
»Nein, wir schauen nie rückwärts.«
Er sah sie verwundert an.
»Wir kehren mit dir um, Rudier.«
»Wohin?« fragte er, denn er verstand noch immer nicht. »Wir kehren zur Erde zurück.«
Rudier hob den Kopf und suchte mit den Augen die Milchstraße.
»Und dort…« Er wußte nicht, was er sagen sollte. »Dort…«
Plötzlich verstummte er. Er hatte verstanden. Sie waren wieder zu dritt.
Sewer Gansowski
Der Tag des Zorns
    Vorsitzender der Kommission: Sie lesen in einigen Sprachen, haben Kenntnisse auf dem Gebiet der höheren Mathematik und sind fähig, gewisse Arbeiten zu tun. Glauben Sie, daß Sie das zum Menschen macht?
Otark: Selbstverständlich. Oder wissen die Menschen mehr? (Aus dem Verhörprotokoll eines Otarks. Unterlagen der Staatlichen Kommission.)
    Die beiden Reiter ließen das dicht mit Gras bewachsene Tal hinter sich und stiegen einen Berg hinan. Voran ritt auf einem buckelnasigen graufarbenen Hengst der Förster, ihm folgte auf einer Fuchsstute Donald Betley. Die Stute stolperte auf dem steinigen Pfad und ging auf die Knie. Betley, der seinen Gedanken nachhing, wäre beinah gestürzt, weil der Sattel – ein englischer Reitsattel mit nur einem Bauchgurt – nach vorn gerutscht war.
Der Förster wartete oben auf ihn.
    »Achten Sie darauf, daß sie nicht mit hängendem Kopf geht, sie stolpert.«
Betley biß sich auf die Unterlippe und warf dem Förster einen verdrossenen Blick zu. Verdammt, das hätte Miller ihm auch früher sagen können! Er war jedoch auch auf sich wütend, weil die Stute ihn zum besten gehalten hatte. Sie hatte beim Satteln den Bauch aufgeblasen, so daß der Bauchgurt dann lose hing. Er zog die Zügel so fest an, daß das Pferd tänzelte und zurückwich.
Der Pfad wurde jetzt wieder eben. Sie ritten über das Hochplateau, und vor ihnen erhoben sich die mit Nadelbäumen bewaldeten Gipfel.
Die Pferde gingen in langem Schritt, manchmal fielen sie von allein in Trab und versuchten, einander zu überholen. Wenn die Stute die Führung übernahm, konnte Betley die wettergebräunten, glattrasierten, hageren Wangen des Försters sehen, dessen mürrischer Blick auf den Weg gerichtet war. Miller schien seinen Begleiter völlig vergessen zu haben.
Ich bin zu direkt, dachte Betley. Das schadet mir. Fünfmal habe ich schon versucht, ihn in ein Gespräch zu ziehen, aber er antwortet mir entweder einsilbig oder sagt überhaupt nichts. Er verachtet mich. Ein redseliger Mann ist für ihn ein Schwätzer, dem man seine Achtung versagt. Die Leute hier in dieser Einöde haben einfach kein Maß für die Dinge. Ein Journalist, denken sie, was ist das schon. Erst recht ein Journalist wie… Na schön, lasse ich ihn ebenfalls links liegen. Was tut’s?
Allmählich besserte sich Betleys Stimmung jedoch. Er war ein Glückspilz und fand, das Leben müsse anderen ebensolchen Spaß machen wie ihm. Die Verschlossenheit des Försters wunderte ihn zwar, aber Feindseligkeit empfand er für den Mann deswegen nicht.
Das Wetter, das sich am Morgen schlecht angelassen hatte, heiterte jetzt auf. Der Nebel zerstreute sich. Die trübe Wolkendecke riß auf. Rasch huschten große Schatten über die dunklen Wälder und Schluchten, was den rauhen, wilden und irgendwie freien Charakter der Gegend nur unterstrich.
Betley tätschelte dem Pferd den feuchten, nach Schweiß riechenden Hals.
»Dich haben sie wohl nachts mit gefesselten Vorderbeinen weiden lassen, deswegen bist du gestolpert. Na, wir raufen uns schon noch zusammen.«
Er ließ dem Pferd die Zügel schießen und holte den Förster ein.
»Mister Miller, sind Sie eigentlich in dieser Gegend geboren?«
»Nein«, sagte der Förster, ohne sich Betley zuzuwenden.
»Wo dann?«
»Weit von hier.«
»Aber Sie leben hier schon lange?«
»Ja.« Jetzt wandte sich Miller dem Journalisten zu. »Sie sollten lieber leiser sprechen. Sonst hören sie uns noch.«
»Wer – sie?«
»Die Otarks natürlich. Einer hört uns und sagt es den anderen weiter. Oder einfacher: sie belauschen uns, überfallen uns und reißen uns in Stücke… Es wäre überhaupt besser, sie wüßten nicht, warum wir unterwegs sind.«
»Überfallen sie häufig Menschen? Die Zeitungen schreiben, solche Fälle seien selten.«
Der Förster schwieg.
»Fallen sie nur über einen her?«

Weitere Kostenlose Bücher