Die Rekonstruktion des Menschen
Mauern des Wissenschaftlichen Zentrums. Er stellte selbst Fragen. Ziemlich törichte allerdings. Allerlei Unsinn, wie zum Beispiel: Betley, lieben Sie Möhrensaft? Als sei dieses Gespräch ein Experiment, als studiere er, Fiedler, den gewöhnlichen Menschen.
»Er ist mittelgroß«, sagte Betley. »Die Augen sind klein. Haben Sie ihn denn nicht zu Gesicht bekommen? Er ist doch mehrmals hiergewesen, am See und im Versuchszentrum.«
»Zweimal war er hier«, antwortete Miller. »Aber mit einem so großen Begleitschutz, daß gewöhnliche Sterbliche auf einen Kilometer nicht an ihn herankamen. Damals hielt man die Otarks noch hinter einer Umzäunung, und Richards und Klein arbeiteten mit ihnen. Klein wurde später gefressen. Und dann, als die Otarks ausgebrochen waren, ließ sich Fiedler hier nicht mehr sehen. Was meint er denn jetzt zu den Otarks?«
»Zu den Otarks? Ein sehr interessantes wissenschaftliches Experiment, sagte er. Sehr aussichtsreich. Zur Zeit aber befasse er sich nicht damit, sondern mit kosmischen Strahlen. Außerdem, sagte er noch, bedaure er die Opfer, die es gegeben habe.«
»Warum ist das alles bloß getan worden? Wofür?«
»Nun, wie soll ich Ihnen das erklären?« Betley dachte nach. »In der Wissenschaft heißt es doch immer: ›Was wäre, wenn?‹ Und aus dieser Fragestellung heraus wurden schon viele Entdeckungen gemacht.«
»Wie meinen Sie das: ›Was wäre, wenn man einen stromführenden Leiter in ein Magnetfeld brächte?‹ Man tat es und erfand – den Elektromotor… Kurz und gut, ein Experiment.«
»Ein Experiment…« Miller knirschte mit den Zähnen. »Feines Experiment – Menschenfresser haben sie auf uns losgelassen. Und jetzt denkt kein Aas mehr an uns. Seht zu, wie ihr fertig werdet! Fiedler spuckt auf die Otarks, und auf uns auch. Aber die Otarks haben sich hier zu Hunderten vermehrt, und niemand weiß, was sie gegen die Menschen im Schilde führen.« Er verstummte und seufzte. »Auf so einen Einfall zu kommen! Tiere herzustellen, die klüger sind als die Menschen! Die sind völlig übergeschnappt dort in den Städten. Erst Atombomben und jetzt so was. Wahrscheinlich wollen sie das ganze Menschengeschlecht ausrotten.«
, Miller erhob sich, nahm das geladene Gewehr und legte es neben sich auf die Erde. »Hören Sie, Mister Betley. Wenn irgend etwas sein sollte, wenn jemand klopft oder eindringt – bleiben Sie liegen, rühren Sie sich nicht von der Stelle. Sonst schießen wir uns in der Dunkelheit gegenseitig, über den Haufen. Also, schön liegenbleiben, ich weiß schon, was ich zu tun habe. Ich bin darauf eingefuchst, beim geringsten Unruhegefühl werde ich wach, wie ein Hund.« Als Betley am Morgen aus dem Schuppen trat, schien die Sonne so klar und war das vom leichten Regen gewaschene Grün so frisch, daß ihn die nächtlichen Gespräche nur noch schreckliche Märchen dünkten.
Der schwarzbärtige Farmer arbeitete schon auf dem Feld, sein Hemd leuchtete als weißer Fleck auf der anderen Flußseite drüben. Einen Augenblick lang glaubte der Journalist, dies sei vielleicht das Glück – mit der Sonne aufzustehen, die Sorgen und Aufregungen des vertrackten Stadtlebens nicht zu kennen, nur mit dem Spaten und den braunen Erdschollen zu tun zu haben.
Aber der Förster rief ihn sehr bald in die Wirklichkeit zurück; mit dem Gewehr in der Hand und trat er hinter dem Schuppen hervor.
»Kommen Sie, ich will Ihnen etwas zeigen.«
Sie gingen um den Schuppen herum und befanden sich im Garten an der Rückseite des Hauses. Hier führte sich Miller merkwürdig auf. Gebückt lief er durch ein Gesträuch und hockte sich in dem Graben am Kartoffelfeld nieder. Dann bedeutete er dem Journalisten durch Zeichen, dasselbe zu tun.
Im Graben umgingen sie den Garten. Einmal hörten sie aus dem Haus die Stimme der Frau, konnten jedoch nicht verstehen, was sie sagte.
Miller blieb stehen.
»Sehen Sie, da.«
»Was ist?«
»Sie haben doch gesagt, Sie sind ein Jäger. Sehen Sie hin!«
Auf einer Kahlstelle zwischen Grasbüscheln war deutlich der Abdruck einer fünfgliedrigen Tatze zu erkennen.
»Ein Bär?« fragte Betley optimistisch.
»Wieso ein Bär? Bären gibt es hier schon lange nicht mehr.«
»Dann ein Otark?«
Der Förster nickte.
»Die Spur ist ganz frisch«, flüsterte der Journalist.
»Von der letzten Nacht«, sagte Miller. »Sie ist feucht, sehen Sie? Demnach war er noch vor dem Regen im Haus.«
»Im Haus?« Betley fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken lief, als berühre ihn etwas Metallisches.
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