Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
Vom Netzwerk:
Betley sah sich unwillkürlich um. »Oder schießen sie auch? Haben Sie überhaupt Schußwaffen? Gewehre oder Maschinenpistolen?«
»Sie schießen sehr selten. Ihre Hände eignen sich nicht dazu… Pfui Deibel, Hände… Pfoten sind das! Sie kommen schlecht mit Waffen zurecht.«
»Pfoten, aha«, wiederholte Betley. »Demnach halten Sie hier die Ortarks nicht für Menschen?«
»Wer? Wir?«
»Ja. Die Leute, die hier ansässig sind.«
Der Förster spuckte aus. »Natürlich nicht. Kein Mensch tut das hier.«
Er sprach stockend. Aber Betley hatte seinen Vorsatz, sich mit Fragen zurückzuhalten, schon vergessen.
»Sagen Sie, haben Sie sich schon einmal mit ihnen unterhalten? Ist es wahr, daß sie gut sprechen können?«
»Die alten schon. Die es schon gab, als das Versuchszentrum noch in Betrieb war… Die jungen weniger gut. Trotzdem sind die jungen gefährlicher. Weil sie klüger sind, ihr Kopf ist zweimal so groß wie bei den alten.« Der Förster hielt plötzlich das Pferd an. In seiner Stimme war Bitterkeit. »Hören Sie, das Gespräch führt zu nichts. Es ist alles umsonst. Ich habe schon dutzendmal solche Fragen beantwortet.«
»Was ist umsonst?«
»Unsere ganze Exkursion. Es kommt nichts dabei heraus. Alles wird bleiben, wie es ist.«
»Aber wieso denn? Mich hat eine einflußreiche Zeitung hergeschickt. Ich habe große Vollmachten. Das von uns gesammelte Material wird der Senatskommission unterbreitet werden. Wenn sich herausstellt, daß die Otarks wirklich so gefährlich sind, wird man Gegenmaßnahmen ergreifen. Sie wissen doch, daß man diesmal beabsichtigt, Truppen gegen sie einzusetzen.«
»Es kommt trotzdem nichts dabei heraus.« Der Förster seufzte. »Sie sind nicht der erste, der hier angereist kommt. Nächstes Jahr wird wieder einmal jemand kommen, und auch er wird sich wieder nur für die Otarks interessieren. Nicht für die Menschen, die gezwungen sind, mit ihnen zu leben. Und jeder fragt: ›Stimmt es, daß die Otarks Geometrie studieren? Ist es wahr, daß es die Otarks gibt, die die Relativitätstheorie verstehen?‹ Als ob das von irgendeiner Bedeutung wäre! Als ob man sie deswegen nicht vernichten müßte!«
»Aber dazu bin ich ja hier«, setzte Betley zu einer Erklärung an, »um Material für die Kommission zu sammeln. Das ganze Land wird dann erfahren, daß…«
»Ja, glauben Sie denn, die anderen hätten kein Material gesammelt?« unterbrach ihn Miller. »Und außerdem… Wie wollen Sie denn die hiesigen Verhältnisse überhaupt verstehen? Dazu muß man hier leben. Nur für kurze Zeit angereist kommen ist eine Sache, aber immer hier leben, das ist etwas anderes. Ach! Wozu drüber reden? Reiten wir weiter.« Er ruckte an den Zügeln. »Wir haben jetzt die Stelle erreicht, bis wohin die Otarks sich schon vorwagen. Bis zu diesem Tal.«
Der Journalist und der Förster standen am Rand eines Steilhangs. Wie eine Schlange wand sich der Pfad unter den Hufen der Pferde abwärts. Tief unter ihnen lag das von Gebüsch überwucherte Tal, ein schmales, steiniges Flüßchen durchschnitt es. Gleich dahinter ragte wie eine Wand der Wald, und noch darüber, in unübersehbarer Ferne, glänzten die schneebedeckten Hänge des Hauptkammes.
Das Gelände war von hier aus auf Dutzende von Kilometern zu übersehen, aber nirgends konnte Betley Anzeichen von Leben entdecken, keinen rauchenden Schornstein, keinen Heuschober. Die Gegend schien ausgestorben zu sein.
Die Sonne verkroch sich hinter den Wolken, es wurde mit einemmal kalt, und Betley verspürte plötzlich ganz und gar keine Lust, dem Förster hinunter ins Tal zu folgen. Fröstelnd zog er den Kopf zwischen die Schultern. Er dachte an seine gemütliche zentralbeheizte Stadtwohnung, an die hellen, ebenfalls warmen Räume der Redaktion. Aber dann riß er sich zusammen. Blödsinn! Ich bin schon ganz woanders gewesen. Wovor sollte ich mich fürchten? Ich bin ein ausgezeichneter Schütze, mein Reaktionsvermögen ist großartig. Wen, wenn nicht mich, hätten sie hierherschicken sollen? Als er sah, daß Miller sein Gewehr von der Schulter nahm, tat er dasselbe.
Die Stute setzte auf dem schmalen Pfad vorsichtig ein Bein vor das andere.
Als sie die Talsohle erreicht hatten, sagte Miller: »Wir werden nebeneinander reiten und möglichst nicht sprechen. Gegen acht müssen wir Staglicks Farm erreicht haben. Dort übernachten wir.«
An die zwei Stunden ritten sie schweigend nebeneinanderher. Den Mount Bear umritten sie so, daß rechter Hand von ihnen die ganze Zeit über die

Weitere Kostenlose Bücher