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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Wissen der Leute, all diese Dörfer wären ein Irrtum und die Männer nichts als Böcke… Geschehen aber war das, als sie gelernt hatten, sich den lila Nebel Untertan zu machen, aus dem dann die ersten Schatten hervorgingen… als die ersten Dörfer auf den Grund der ersten dreieckigen Seen sanken… und sich die ersten Verbände der Freundinnen bildeten… Die Horcher waren nur ein Überbleibsel, die Übermittlung eine Tradition, die aus dem einfachen Grund bestehenblieb, weil sie diese Tradition vergessen hatten. Es war eine sinnlose Tradition, genauso sinnlos wie dieser ganze Wald, diese künstlichen Ungeheuer und Städte, von denen alle Zerstörung ausging, wie diese grauenerregenden Amazonen, diese Priesterinnen der Parthenogenese, die grausamen und selbstgefälligen Herrscherinnen über die Viren, die Herrscherinnen über den Wald, aufgedunsen von ihren heißen Bädern… wie dieses gigantische Treiben in den Dschungeln, diese ganze Bodenauflockerung und Versumpfung, dieses gesamte, in seiner Absurdität und seinen Ausmaßen ungeheuerliche Unternehmen… Candides Gedanken flossen frei dahin, kamen geradezu von selbst, im Verlauf des vergangenen Monats hatte er es geschafft, sie in geordnete Bahnen zu bringen, und so wußte er schon im vorhinein, was er im nächsten Augenblick empfinden würde. Oder »denken«, wie man im Dorf sagte: Jetzt werden mir gleich Zweifel kommen… Ich hab’ doch gar nichts gesehn. Ich habe drei Waldfeen getroffen. Doch wen trifft man nicht alles im Wald. Ich hab’ den Untergang des seltsamen Dorfes gesehn, den Hügel, der an eine Fabrik lebender Wesen erinnerte, die teuflische Rache an dem Handfresser… Untergang, Fabrik, Rache – das alles sind doch meine Worte, meine Begriffe. Sogar für Nawa ist Tod nicht gleich Tod, sondern Besetzung … Ich dagegen habe keine Ahnung, was das ist: Besetzung. Mir flößt dieses Wort Angst ein, Widerwillen, und das alles nur, weil es mir fremd ist. Vielleicht dürfte man auch gar nicht vom »grausamen und sinnlosen Vorrücken des Waldes gegen die Menschen« sprechen, sondern vom »planmäßigen, bestens organisierten, genau durchdachten Angriff des Neuen auf das Alte«, vom »krafterfüllten Neuen, das mit der Zeit herangereift ist und gegen das verfaulende, perspektivlose Alte zu Felde zieht«… Nicht von Perversion, sondern von Revolution. Einer Gesetzmäßigkeit. Einer Gesetzmäßigkeit, auf die ich als Außenstehender mit Voreingenommenheit schaue, weil ich nichts verstehe und mir gerade deshalb einbilde, alles zu verstehen, zum Verurteilen befugt zu sein. So wie ein kleiner Junge sich über einen Hahn erbost, der grausam auf die armen Hühnchen eindringt…
    Er sah sich zum Horcher um. Der saß mit seinem gewohnten stieren Gesichtsausdruck im Gras und drehte den Kopf hin und her, bestrebt zu begreifen; wo und was er war. Ein lebender Radioempfänger. Folglich gibt es lebende Radioempfänger… und lebende Mechanismen… und lebende Maschinen, z. B. in der Art der Schatten… Doch weshalb löst all dieses so großartig Erdachte und Organisierte nicht die Spur von Sympathie in mir aus, sondern nur Widerwillen und Haß?
    Faust kam lautlos von hinten heran und hieb seine Pranke zwischen Candides Schulterblätter.
»Da steht er nun und glotzt, beim stinkigen Pelz«, sagte er. »Da hat schon mal einer so geglotzt, dem haben sie Arme und Beine ausgerenkt, nun glotzt er nicht mehr* Wann gehn wir denn endlich fort, Schweiger? Oder willst du mich noch lange an der Nase rumführen? Meine Alte ist schon ausgezogen, beim stinkigen Pelz, und ich selbst hab’ das dritte Mal beim Dorfältesten übernachtet. Jetzt hab’ ich vor, bei der Witwe von Schwanz zu kampieren. Mein Essen ist schon dermaßen faulig, daß es nicht mal mehr dieser alte Knorren haben will. Windet sich und sagt: Das ist ja schon so hinüber, daß man’s kaum noch riechen kann, geschweige denn fressen, beim stinkigen Pelz… Zu den Teufelsfelsen jedenfalls geh’ ich nicht, Schweiger, ich geh’ in die Stadt mit dir, dort lesen wir ein paar Weiber auf. Wenn wir auf Räuber treffen, geben wir ihnen die Hälfte ab, da soll’s uns nicht leid drum sein, beim stinkigen Pelz. Die andre Hälfte bringen wir ins Dorf, sollen sie ruhig hier leben, wozu sollen sie dort umsonst rumschwimmen, ist nämlich schon mal eine geschwommen, der haben sie tüchtig eins auf die Nase gegeben – die schwimmt nicht mehr, will nicht mal mehr Wasser sehn, beim stinkigen Pelz… Hör mal, Schweiger, vielleicht

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