Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
Vom Netzwerk:
möchte.
Loy stellt den Hebel am Steuerpult seines Wagens auf »Rückfahrt« ein, und wir steigen zur Fußgängerhochstraße hinauf. Er kommt sofort zur Sache: »Ich möchte von Ihnen gern ein
paar Angaben über Lili. Sie kennen sie doch gut.«
»Niemand kennt die Seele einer Frau.«
Mich selbst schreckt die Gemeinheit dieser Worte. »Ich habe nur drei Monate mit ihr geschlafen«, setze ich hinzu. Auch das stinkt nach hundertprozentigem Kretinismus. Loy mißt mich mit einem schnellen Blick, der unter seinen
buschigen Brauen hervorschießt. Genauso hat Max die Reporterin angesehen.
Ich vergehe fast vor Scham. Im tiefsten Innern jubiliere ich
jedoch, daß ein Gespräch zu diesem Thema nicht zustande
kommt.
Den ganzen Stadtbezirk haben wir schweigend durchwandert. An der Kreuzung gibt es ein Gedränge. Eine gleichgültigsatte
Menge beobachtet schweigend eine Kolonne vorüberziehender
junger Leute. Sie tragen ein Transparent mit der Lösung: Eierköpfe, denkt euch eine Beschäftigung für uns aus! Offensichtlich Studenten.
»Begreifen Sie, was die wollen?« fragt Loy mich. »Sie sollten es besser wissen«, antworte ich.
»Ihnen stehen alle Annehmlichkeiten des Lebens zur Verfü
gung«, fährt er nachdenklich fort. »Sie leiden keinen Mangel, können sich beschäftigen, womit sie wollen, selbstverständlich
im Rahmen ihrer Kräfte und Möglichkeiten.«
»Eben, das ist es ja«, sage ich. »Die Möglichkeiten schmelzen
ununterbrochen zusammen. Sicher befürchten sie, daß ihnen in
absehbarer Zeit selbst das bißchen, welches ihr ihnen noch
gelassen habt, von euren Affen abgenommen wird.« »Affen?« fragt Loy. »Nein, die sind für anderes da.« »Wofür, wenn ich fragen darf?«
Loy hat es nicht eilig mit seiner Antwort. Die letzten Reihen
der Demonstranten haben uns überholt, und wir gehen hinunter.
»Laien«, sagt Loy. »Laien fallen immer auf Sensationen herein. Wie die Fliegen auf den Honig. Ihre Vorstellung von
denkenden Affen ist pure Phantasterei. Das Superhirn nichts
weiter als eine simple Arbeitsmaschine. Kein Unterschied zu
jeder beliebigen Rechenanlage. Es hat doch keinen Sinn, zu
erfinden, was die Natur schon von sich aus geschaffen hat.
Vervollkommnen kann man sie jedoch immer. Im Moment
brauchen wir diesen Max bei der Lösung eines bestimmten
Aufgabenkomplexes noch. Wird die Aufgabe verändert, muß
man eben nach etwas Neuem suchen.«
»Keine Ahnung«, sage ich, »das sind böhmische Dörfer für
mich. Mich als Schriftsteller erschrecken die Gorillas einfach.
Übrigens, ich habe sie nie aus der Nähe gesehen.«
»Wollen Sie sich die Viecher angucken? Ich kann das arrangieren, obwohl das Zentrum nur ungern die Genehmigung zum
Besuch des Zwingers erteilt.«
»Das kann ich mir denken. Wahrscheinlich kein Anblick für
Nervenschwache.«
»Nein, darum geht es nicht. Die Affen werden unnötig abgelenkt«, sagt er.
Fünf Tage darauf trudelt die Genehmigung ein. Aus unerklärli
chen Gründen gilt sie für zwei Personen.
Loy möchte wahrscheinlich vor Lili brillieren, und ich rufe
sie an.
»Ich kann heute nicht«, sagt sie. »Wenn es dir nichts ausmacht, kommt Toni mit.«
Wir stoppen den Wagen vor den Toren des Zentrums. Eine
Tafel tut allen kund und zu wissen, daß die Durchfahrt mit
öffentlichen Verkehrsmitteln kategorisch verboten ist. Wir stecken unseren Passagierschein in einen kleinen schwarzen Kasten und geraten auf der Stelle in eine andere Welt. Dichte Bäume mit überhängenden, üppigen Kronen, mit rotem Sand bestreute schmale Wege, in dichtem Grün versteckte
weiße Villen, völlige Stille.
Wären nicht die bei unserem Näherkommen aufleuchtenden
Wegweiser, so könnte man glauben, um einige Jahrhunderte
zurückversetzt worden zu sein.
Die Wegweiser führen uns zu einem großen einstöckigen
Gebäude, das von einem hohen Zaun umgeben ist.
Die kleine Pforte ist verschlossen. Ich drücke auf den Klingelknopf, und nach einigen Minuten erscheint ein hagerer,
großer Mann in blauem Kittel. Eingehend und mit offensichtlicher Unzufriedenheit betrachtet er unseren Passierschein. »Na, dann treten Sie ein.«
Wir folgen ihm. Der Gestank des Tierhauses dringt in unsere
Nasen. Der Hof ist mit Käfigen vollgestellt, in denen kleine
Äffchen toben.
»Die Arbeitszimmer dürfen nicht betreten werden«, sagt unser Begleiter.
»Wir haben eine Genehmigung.«
»Dort wird gerade gearbeitet. Während der Arbeit darf niemand ‘rein.«
»Hier auf dem Passierschein steht es doch schwarz auf weiß«,
beharre ich.
»Es ist gleich

Weitere Kostenlose Bücher