Die Rekonstruktion des Menschen
auch andere
Veränderungen des genetischen Codes. Bisweilen ein letales
Gen…«
Er spricht von seiner Genialität so, als handele es sich um
einen Leistenbruch.
»Oh, Sie sind ziemlich vorsichtig.« In Lilis Stimme schwingt
eine Note mit, von der mir übel wird. »Das Ziel rechtfertigt das
Risiko. Gefalle ich Ihnen etwa nicht?«
Das ist nun schon, weiß der Teufel, was.
Loy schnurrt wie ein vollgefressener Kater. Gleich wird er
sich belecken.
»Hm, man könnte ja einmal das genetische Horoskop unseres
Nachkommen zusammenstellen.«
Lili wirft mir einen triumphierenden Blick zu.
Die Pause zieht sich in die Länge.
»Los, spielen wir eine Partie Schabenrennen«, schlägt Toni
vor.
»Toni ist Historiker«, erläutert Lili. »Er gräbt immer irgendwas Interessantes aus.«
Toni holt eine Schachtel vom Tisch und entnimmt ihr zwei
Schaben. Eine ist weiß, die andere dunkelblau markiert. »Wählen Sie«, schlägt er mir vor.
»Wo haben Sie denn die Dinger her?« frage ich.
»Aus dem entomologischen Museum. Ich habe dort einen
Freund.«
Ich nehme die weiße Schabe.
Toni legt ein Holzbrett auf den Tisch.
Loy beobachtet uns mit herablassender Neugier, als wären
wir selbst komisches, harmloses Ungeziefer.
Das Spiel gestaltet sich mit wechselndem Erfolg. Nach einigen Zügen gebe ich Toni meine Schabe zurück.
»Keine Lust mehr?« fragt er.
Ich nicke. Mir ist so elend zumute. Noch ein kleines bißchen,
und ich fange an zu heulen. Ich finde es scheußlich, daß Lili…
Dann schon lieber Max. Bloß nicht dieser Loy.
»Das kommt daher, weil wir ohne Einsatz spielen. Stellen Sie
sich vor, der Verlierer müßte ins Nebenzimmer gehen und sich
aufhängen. Das Spiel gewänne sofort an Spannung.« »Ich habe einen Gedanken.« Lili lacht, »Versuch es, Sven.
Ein Ritterturnier um den Besitz einer Dame. Sehr elegant.« Wie sehr sie mich doch haßt!
Ich würde es ganz gern probieren, doch Toni tut mir leid. Das
Risiko für ihn. Er ist ein ganz passabler Bursche, im großen
und ganzen. Wenn es um Loy ginge. Ich stiege sofort drauf ein. Was tut man nicht alles, damit es einen Eierkopf weniger
gibt.
»Na, schön.« Ich schiebe das Brett zu Loy hinüber. »Suchen
Sie sich eine Schabe aus.«
»Ich beteilige mich nie an Glücksspielen«, sagt er trocken.
»Ihr Vergnügen ist die reinste Idiotie. Haben Sie wirklich keine
vernünftigeren Hobbys?«
Toni explodiert plötzlich: »Was habt ihr uns denn noch gelassen?«
Loy zuckt die Schultern.
»Ich weiß nicht, was Sie wollen.«
»Arbeit«, schreit Toni. »Können Sie denn nicht begreifen,
daß auch gewöhnliche Sterbliche arbeiten möchten?« »Arbeiten Sie etwa nicht?«
»Ja, ich arbeite.« Er kippt seinen Cocktail in einem Zug hinunter und beruhigt sich etwas. »Ich habe eine Monographie
über das achtzehnte Jahrhundert geschrieben. Doch wer
braucht sie? Wer liest sie? Was für einen Sinn hat es überhaupt,
in der ganzen Scheiße rumzuwühlen, wenn ich nicht klarkomme mit dem, was um mich herum vorgeht? Womit beschäftigt
ihr euch in eurem verfluchten Forschungszentrum? Was für
Überraschungen habt ihr noch für uns in petto? Mein Gott.
Mitunter denke ich, wir sind allesamt in einem riesigen Irrenhaus eingesperrt. Es gibt doch noch Menschen auf dieser Welt.
Können Sie mir verraten, weshalb wir uns von der übrigen
Welt mit einer undurchdringlichen Mauer absperren? Wenn ihr
selbst nicht weiterwißt, dann lernt gefälligst von den anderen.
Die ganze Welt lebt anders.«
»Von den Kommunisten gibt’s für uns nichts zu lernen«,
antwortet Loy hochmütig. »Der Stand der Produktion, den wir
erreicht haben…«
»Ich habe keine Ahnung von der Produktion, doch ich glaube,
ihr Stand dort ist nicht niedriger«, sage ich. »Darum geht es
auch gar nicht, um die Menschen geht es. Was habt ihr aus den
Menschen gemacht?«
»Hat die Automation sie vielleicht nicht von schwerer körperlicher Arbeit befreit?«
»Hat sie. Von allem hat sie uns befreit. Doch sie hat uns
nichts dafür gegeben. Vielleicht sind wir deswegen nicht mehr
menschenähnlich.«
»Unsinn.«
Ich verspüre keine Lust mehr zum Streiten.
»Ich habe mich sehr gefreut, dich wiederzusehen, Lili«, sage
ich. »Mach’s gut.«
»Leb wohl, mein Lieber.«
»Servus Toni. Wir kommen noch zu unserem Spielchen.« Loy erhebt sich ebenfalls. Er küßt Lili die Hand und nickt
Toni flüchtig zu.
Wir gehen zusammen hinaus.
»Laufen wir ein Stückchen«, schlägt ‘Loy vor. »Ich möchte
etwas mit Ihnen besprechen.«
Ich ahne, was er mit mir besprechen
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