Die Reliquie von Buchhorn
gehoben hatte, dann wiederholte er: »Die Wahrheit. Wusstest du, wer Hunfried ist?«
»Nein.«
»Das stimmt«, mischte sich der Söldner ein. »Weder er noch Bruder Warmund wussten, dass ich ihnen folge. Im Auftrag des Abtes von Lorsch.«
Eckhard hob eine Braue. »Gut, weiter.«
Rodericus schniefte. »Es geht um ein Schriftstück«, brachte er schließlich hervor. »Bruder Warmund hatte es in Verwahrung. Wir sollten es dem Abt von St. Gallen vorlegen. Mehr weiß ich nicht. Wirklich nicht.« Er griff erneut nach dem Bier, aber seine Hände zitterten zu stark. Er faltete sie und schaute die anderen bittend an. »Mein Ordensbruder ist tot. Glaubt ihr wirklich, ich hätte damit zu tun?«
Eckhard schüttelte den Kopf. »Ein Schriftstück, für das sogar Mönche morden. Ich denke, das macht eine private Feindschaft unwahrscheinlich. Aber würde das Bistum Worms wirklich einen Mörder schicken? Einen Mönch?« Er strich über seine Tonsur. Sein Gesicht wirkte eingefallen und müde. »Es muss um Macht gehen. Um viel Macht. Oder Geld.«
Rodericus keuchte erschrocken auf. »Oder Land!«, rief er.
Ottmar fuhr auf. »Welfenland? Seid ihr deswegen hier?«
»Nein, Herr«, versicherte Rodericus aufgeregt. »Land am Neckar. Sankt Michael liegt am Durchbruch des Neckars zum Rhein. Schenkungen vergrößern den Besitz. Lorsch ist eine der reichsten Abteien, die ich kenne.« Stolz färbte seine Stimme, ehe er wieder den Kopf sinken ließ. »Offensichtlich sind auch Mönche nicht gegen Versuchung gefeit.«
»Dann gab es also nie eine Reliquie?«, fragte Eckhard kalt.
»Doch.« Rodericus’ Lippen bebten. »Auch. Das hat unser Probst zumindest gesagt.«
»Es geht also darum, dass sein Kloster an Bedeutung gewinnt. Aber welche Rolle spielt St. Gallen dabei?«
Rodericus spreizte hilflos die Hände. Sekundenlang war der Raum in Schatten und Schweigen getaucht.
»Bruder Warmund hatte das Dokument bei sich?«
Rodericus nickte.
»Aber er hatte es nicht mehr, als er starb.« Eckhard brachte Wulfhard, der etwas sagen wollte, mit einem erhobenen Finger zum Schweigen. »Sonst wären sie nicht hinter dir her, Bruder Rodericus.«
Die Kerze auf dem Tisch zischte, als Gernot die Tür aufstieß und in die Nacht trat. Minuten später kehrte er zurück. »Draußen ist alles ruhig, Herr«, sagte er. »Die Pferde sind versorgt, die Räuber sicher gefesselt. Bernhard und Kuno bewachen sie abwechselnd. Sie sind müde, aber sie erfüllen ihre Pflicht.« Er gähnte. »Habt Ihr noch Aufgaben für mich, Herr?«
»Setz dich!«, befahl Ottmar und deutete neben sich.
Gernot ließ sich am Tisch nieder und nahm seinen Becher zwischen beide Hände.
Ottmar beugte sich vor und fixierte Rodericus. »Warum Hunfried sich als Welfe ausgegeben hat, weiß ich ja nun, auch wenn ich es nicht billige. Er wollte seine Herkunft verschleiern. Aber deine Lügen haben deinen Mitbruder das Leben gekostet.«
Rodericus schluckte, seine Augen füllten sich erneut mit Tränen. Dennoch lag etwas wie Trotz um seine Lippen, als er erwiderte: »Was hätte ich tun können? Ich habe gelobt zu schweigen, und das habe ich bis heute getan. Anders als du, Bruder Eckhard, der du gelobt hast, die Regeln des Klosters auch in der Welt einzuhalten.«
Eckhard saß sekundenlang reglos, dann erhob er sich mit einem Ruck. »Du hast recht. Ziehen wir uns zurück und beten.«
Ottmar streckte sich und gähnte. »Wir werden alle schlafen! Oder …« Seine Miene wurde lauernd. Er zeigte auf Wulfhard. »Du wirst Wache halten.«
»Und warum? Oder sind die Mordgesellen doch nicht …«
»Halt dein Maul«, fauchte Ottmar.
Eckhard drehte sich um. »Vergiss nicht, wo dein Platz ist, Wulfhard«, mahnte er streng. »Und vergiss nicht, dass immer noch ein Mörder frei herumläuft. Deine Wachsamkeit kann uns allen das Leben retten.« Er suchte und hielt Wulfhards Blick fest, bis dieser nachgab.
»Dann brauch ich aber noch was zu saufen«, sagte er mürrisch und hob den leeren Krug.
»Und ich leiste dir Gesellschaft«, ließ sich Hunfried überraschend vernehmen. »Die Nacht ist noch lang.« Er nickte Ottmar gelassen zu. »Geht Ihr nur schlafen, Herr. Ihr seid sicher.«
Ottmar warf die Lippen auf. »Das will ich euch auch geraten haben«, schnaubte er und stürmte aus der Gaststube.
Wulfhard und Hunfried hatten sich in ihre Mäntel gehüllt und blickten schweigend in die verglimmende Herdglut. Zwischen ihnen stand ein Krug, aus dem sich Wulfhard stetig bediente.
»Du trinkst zu viel«,
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