Die Reliquie von Buchhorn
Er kratzte die letzten Reste aus seiner Schüssel. »Warum bist du nicht mit den Mönchen zusammen gereist? Das wäre doch einfacher gewesen.«
»Das habe ich auch gesagt. Aber der Abt wollte, dass ich im Hintergrund bleibe. Was daraus geworden ist, sieht man ja.« Hunfried setzte den Krug an und trank. Seine großen Hände zitterten leicht.
»Zwei Tote«, sagte Gerald düster.
»Zwei?«, wiederholte Hunfried gedehnt. »Bruder Warmund und …?«
»Dietger. Er war Imker in Buchhorn.« Diesmal achtete der Schmied nicht auf Wulfhards warnendes Kopfschütteln. »Vertrauen um Vertrauen. Wir glauben, er könnte von den gleichen Männern getötet worden sein.«
»Warum?«
»Weil er auch gefoltert und totgeschlagen worden ist. So, als ob die Mörder etwas gesucht hätten.«
Die drei Männer schwiegen. Hinter ihnen schwelte die Fackel und verbreitete den Geruch nach Harz und rußigem Qualm im Zimmer.
»Wir werden das Mönchlein fragen müssen«, knurrte Hunfried schließlich. »Ich bin sicher, dass er mehr weiß, als er zugibt. Ich weiß nicht, wie oft der Abt mir den Jungen ans Herz gelegt hat. Im Vertrauen, ich bin froh, dass es Bruder Warmund erwischt hat und nicht ihn.«
Wulfhard spielte mit dem Ungarndolch, dessen verzierter Griff aufschimmerte. »Und nichts davon hilft Isentrud!« Als er merkte, dass er die Worte laut ausgesprochen hatte, wurde er rot. »Dietgers Witwe.«
»Also doch neidisch«, versetzte Hunfried trocken. »Liebt sie dich auch?«
Wulfhard verschluckte sich beinahe. Er setzte zu einem heftigen Protest an, aber Hunfried schlug ihm nur kräftig auf den Rücken. »Mach dir nichts draus, das passiert den Besten. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich an eine Frau auch nur einen zweiten Gedanken verschwende, aber dann kommt da so ein schmächtiges Ding, das alles stehen und liegen lässt, weil sie sich einbildet, ich wäre der Mann, den Gott für sie ausgesucht hat. Da kommt man schon ins Grübeln, wie es weitergehen soll. Was ist mit dir, Schmied?«
»Der ist glücklich verheiratet«, knurrte Wulfhard, als er sah, wie Geralds Augen zu glänzen begannen. »Niemand, mit dem ich gerade jetzt reden möchte.«
Hunfried lachte kurz auf, während Gerald nur still in sich hineinlächelte, doch dann wurde er wieder ernst. Er hob sein Schwert, sodass sich der Fackelschein auf der Klinge brach und sagte: »Diese Waffe hat das Blut der Ungarn geschmeckt. Seither dient sie mir gegen die Feinde von Lorsch. Ich bin im schönen Neckartal geboren und aufgewachsen, aber wie es so ist, das Dorf war mir zu eng. Also habe ich mich König Ludwig angeschlossen. Ich war bei seiner verheerenden Niederlage dabei, und was ich da gesehen habe …« Er schloss die Augen. »Jedenfalls habe ich die ganze Sache nur knapp überlebt. Mein Glück war, dass ich einem von den Mönchen das Leben gerettet habe. Du weißt ja, dass auch die geistlichen Herren sich nicht zu schade waren, zum Schwert zu greifen.« Wulfhard nickte zustimmend, während Gerald das Gesicht in den Händen verbarg. Hunfried fuhr fort: »So bin ich in den Dienst des Abtes von Lorsch gekommen. Ich dachte mir, mit Gott auf meiner Seite habe ich eine bessere Aussicht, am Leben zu bleiben. Bisher ist die Rechnung aufgegangen.«
Eine leise Bewegung in der Tür veranlasste die drei Männer, sich umzudrehen.
»Bruder Rodericus!« Hunfried stand auf, aber der junge Mönch wich zurück.
»Du bist Söldner!«
»Ein Söldner für Gott«, bemerkte Hunfried nachsichtig. »Ein Mann, der überleben will. Ist das falsch?«
Rodericus holte Atem, während sich Wulfhard zu Gerald hinüberbeugte. Er grinste. »Das war die falsche Frage. Gleich legt unser Kleiner los!«
In der Tat schien es so, als wolle der Benediktiner die Frage ausführlich beantworten, doch Hunfried unterbrach ihn jäh, indem er die Hand hochriss. »Ruhe! Da kommt jemand!«
Rodericus schlug das Kreuz. »Die Räuber?«, hauchte er.
Ohne die Frage zu beantworten, scheuchte Hunfried ihn mit einer Geste zurück in die Kammer, aus der er gekommen war. »Haltet euch von der Tür fern!«, befahl er Gerald und Wulfhard.
Die beiden gehorchten. Wulfhards Lippen formten ein lautloses: »Eckhard?«
Gerald zuckte die Achseln und griff nach seinem Messer, ohne die Türe aus den Augen zu lassen.
Der Hufschlag vor der Herberge war nicht mehr zu hören, stattdessen näherten sich die Schritte von mehreren Männern.
Hunfried hob das Schwert, als die Tür aufsprang. Ein Mann mit kantigem Gesicht und grauen
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