Die Reliquie von Buchhorn
brummte Hunfried.
Wulfhard lachte spöttisch. »Immer noch der brave Soldat auf Wache? Glaub mir, wenn der verdammte Welfe mich schon dazu zwingt, hier zu sitzen und zu frieren, dann nicht ohne etwas zu trinken. Zum Wohl.«
Hunfried schüttelte den Kopf. Nach einer Weile stand er auf, streckte sich und ging steifbeinig zum Fenster. Das Leinentuch blähte sich leicht im Nachtwind.
Wulfhard sah ihm spöttisch nach. »Wovor hast du eigentlich Angst?«
»Ich habe keine Angst.«
»Verzeih! Was versetzt dich in diese sicher gerechtfertigte Unruhe?« Wulfhard kicherte. »Doch wohl nicht die drei gefesselten Schufte?«
Hunfried blieb stumm und lauschte. Endlich drehte er sich um. Seine Zähne leuchteten in der Dunkelheit. »Wulfhard, du bist ein schlauer Kerl, aber klug bist du nicht. Glaubst du wirklich, unser Mördermönch hat die Spur verloren? Glaubst du, ich teile die Wache mit dir, weil ich dich so gern mag?«
Wulfhard streckte die Hand nach dem Krug aus und ließ sie wieder sinken. »Warum glaubst du, dass er uns immer noch folgt?«, fragte er in verändertem Tonfall.
»Weil er immer noch nicht hat, was er sucht.«
Wulfhard murmelte einen Fluch und stand torkelnd auf. »Verdammte Kälte! Kann man das Fenster nicht besser abdichten?«, fragte er und griff unsicher nach dem Tuch, dessen Ende sich gelöst hatte und im Wind flatterte. »Was glaubst du, wird er versuchen, der Mördermönch?«
Hunfried zuckte die Achseln. »Wir sind viele, das ist unser Vorteil. Aber wir werden gut auf Bruder Rodericus aufpassen müssen.« Er hielt inne. »Hörst du das?«
»Was?«
»Die Pferde.«
Die beiden Männer verstummten und horchten. Aus dem Stall ließ sich gedämpft das Wiehern der Tiere vernehmen.
Wulfhard versteifte sich. »Das muss nichts bedeuten. Das kann ein Fuchs sein. Oder …«
»Oder etwas anderes.« Hunfried nahm dem Stallmeister den Tuchzipfel aus der Hand und riss mit einem Ruck daran. Kalte Luft biss nach ihren Gesichtern, aber die beiden Männer achteten nicht darauf.
»Rauch!«, brüllte Hunfried. Ehe Wulfhard etwas sagen konnte, stieß er ihn zur Seite und riss die Tür zu den Kammern auf. »Feuer!«, rief er mit donnernder Stimme. »Wacht alle auf! Der Stall brennt!« Ohne zu warten, ob jemand seine Worte hörte, packte er Wulfhard am Wams und beugte sich vor, bis er das Gesicht des Stallmeisters in der Dunkelheit genau erkennen konnte. »Traust du dir zu, da rauszugehen und die Pferde zu retten?«
»Natürlich.« Wulfhard versuchte, die Hand des anderen abzustreifen, aber der hielt ihn unbarmherzig fest.
»Auch, wenn das kein Unfall war?«
Wulfhard nickte.
Hunfried versetzte ihm einen Stoß. »Dann geh! Ich komme nach und helfe dir, sobald ich kann. Viel Glück, Wulfhard.«
»Kann ich brauchen!«, rief Wulfhard und rannte in die Nacht.
Gleichzeitig wurde es auf dem Flur lebendig. Als Erste stürzten die beiden Wirtsleute herein, dicht gefolgt von Eckhard. Die beiden Alten versuchten im Laufen, sich vollständig anzukleiden. Sie wirkten müde und verbraucht.
Die Frau taumelte gegen Hunfried. »Feuer!«, heulte sie. »Gott steh uns bei! Der Stall und das Haus sind alles, was wir besitzen!« Sie klammerte sich an den großen Mann und verkrallte ihre Finger in seinem Arm.
Hunfried schüttelte sie ab und folgte Eckhard, der zur Tür gelaufen war. In der Dunkelheit konnten sie jetzt deutlich den Feuerschein sehen. Flammen züngelten aus dem Dach.
Eckhard bewegte die Lippen.
»Was habt Ihr gesagt?«
Erst jetzt schien der Mönch Hunfried zu bemerken. »Ich habe gesagt, dass feuchtes Holz niemals so schnell brennt.«
»Nicht, wenn nicht jemand nachhilft«, bestätigte Hunfried grimmig. »Und denkt an das Stroh, Bruder. Ich …« Hunfried drehte sich um, als er Ottmars und Gernots Stimmen hörte, die sich in das Klagen der Wirtsleute mischten. Dann wandte er sich wieder Eckhard zu. »Ich habe Wulfhard losgeschickt, um die Pferde zu holen. Könnt Ihr Euch um die Löscharbeiten kümmern, während ich ihm helfe?«
Eckhard holte tief Atem, aber der Rauch drang ihm in die Lunge. Er krümmte sich und nickte hustend. »Nimm Gerald mit«, keuchte er. »Wir werden die Pferde noch bitter nötig haben!«
»Und was ist mit meinen Männern?«
Hunfried fuhr zu dem jungen Welfen herum. »Sie haben uns nicht gewarnt, also werden sie tot sein. Verbrannt oder …« Er fuhr sich mit dem Finger über die Kehle.
Ottmar machte eine Bewegung, als wolle er ins Freie stürzen, aber sein Waffenmeister hielt ihn
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