Die Reliquie von Buchhorn
mit dem er die Stirn der Schlafenden kühlte, und warf Wulfhard einen strafenden Blick zu. »Sie steht unter dem Schutz des Herrn. Hunfried hat mir erzählt, dass sie eine Reliquie bei sich trägt. Wie sonst erklärst du dir, dass die Räuber sie für tot gehalten haben?«
»Glück?«, schlug Wulfhard vor und grinste flüchtig. Als er Schritte hinter sich hörte, drehte er sich um. »He, Hunfried, was machst du mit der Kleinen, wenn sie überleben sollte? Heiratest du sie?« Er lachte laut auf, als er das Gesicht des Soldaten sah.
Hunfried stieß ein Knurren aus. »Du bewegst dich gerade auf einem sehr, sehr schmalen Grat, Bursche!« Er beugte sich über das Mädchen und zog das Laken bis unter ihr Kinn. Seine Hand streifte ihre Wange. »Außerdem ist sie nicht schwer verletzt, nur erschöpft. Kein Wunder. Der Weg aus Bregenz, der Zusammenstoß mit den Wegelagerern …«
»Und alles für die Liebe!«
Hunfried ließ die Hand sinken. Er musterte Wulfhard. »Neidisch?«, fragte er und zwinkerte.
Wulfhard öffnete den Mund. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und kehrte in die Gaststube zurück, wo Gerald sich bei einem Teller Suppe aufwärmte. Er setzte sich zu dem Schmied und beugte sich rasch vor. »Wo sind …«
Doch ehe er die Frage zu Ende stellen konnte, tauchte Hunfried in der Tür auf. Seine blauen Augen ruhten forschend auf den beiden, ehe er sich zu ihnen gesellte. Doch anstatt sich an den Tisch zu setzen, blieb er mit verschränkten Armen stehen. »Jetzt seid ihr schon zu zweit. Wo sind die anderen?«
»Welche anderen?« Wulfhard streckte die Beine aus und griff nach seinem Bierkrug.
»Der Mönch zum Beispiel.«
»Noch bei den Toten«, mischte sich Gerald hastig ein. »Bei der Reisegesellschaft, an der ihr einfach vorbeigeritten seid.«
Hunfrieds gebräuntes Gesicht verfinsterte sich. »Wir hatten eine Kranke, um die wir uns kümmern mussten«, sagte er schroff. »Den anderen konnten wir nicht mehr helfen. Und der Mönch hat genug für sie gebetet, dass sie drei Mal in den Himmel kommen.« Er zögerte, dann setzte er sich auf einen freien Hocker und strich die Knöchel, die noch auf dem Tisch lagen, zurück in seinen Beutel. »Unser Spiel hat nicht mehr viel Sinn. Außerdem hättest du sowieso gewonnen.«
»Wieso?«
Hunfried leerte seinen Krug. »Weil ich nie vorhatte, einen von euch zu töten. Ich dachte, das hätte ich in Altdorf bewiesen, als ich das Mönchlein vor seinem Angreifer bewahrt habe. Habt ihr eigentlich herausbekommen, wer der Kerl ist?«
Gerald setzte zu einer Antwort an, aber Wulfhard lenkte ihn mit einem kräftigen Tritt ab.
»Wer bist du?«, fragte er. »Soweit es mich angeht, bist du der Kerl, der Eckhard ein blaues Auge verpasst hat. Nicht, dass ich nicht auch bisweilen das dringende Bedürfnis habe, dem Mönch eins zu verpassen«, Wulfhard grinste und ignorierte Geralds tadelnden Gesichtsausdruck, »aber ich kenne ihn schließlich. Du nicht.«
Hunfried lachte kehlig. »Das stimmt, aber ich kenne seinen Ruf. Und ich habe mir gedacht, dass ein Mann wie der Sekretär des Fürstbischofs, Gott hab ihn selig, am eifrigsten ist, wenn man ihm Steine in den Weg legt. Mein Plan war, euch einfach zu folgen und sehen, was ihr herausbekommt.« Er legte die Hand auf das Schwert, das immer noch auf dem Tisch lag, und strich darüber. »Ich weiß, wo meine Stärken liegen.«
»Nicht im Denken«, warf Wulfhard frech ein.
Gerald fuhr erschrocken auf, aber Hunfried zuckte nur die Achseln. »Vielleicht.«
»Und was willst du jetzt?«
Ein harter Zug legte sich um Hunfrieds Lippen. »Ich will den Mann zur Rechenschaft ziehen, der verantwortlich ist für Bruder Warmunds Tod.«
»Den Mördermönch?«
Hunfried sah Wulfhard überrascht an, dann nickte er bedächtig. »Das wisst ihr also auch. Ja, den Mönchmörder. Und bevor ihr fragt, ich weiß nicht, worum es bei der ganzen Sache geht. Der Auftrag meines Abtes lautete nur, Bruder Rodericus und Bruder Warmund auf ihrem Weg zu beschützen.« Er berührte den Griff seines Schwertes. »Und darin habe ich gründlich versagt.« Er sah Geralds Erstaunen. »Was?«
»Dein Abt?«, fragte Gerald. »Bist du …«
»Ein Mönch?« Hunfried lachte und strich sich durch seine volle Haarpracht. »Bei Gott, nein. Aber ich stehe in den Diensten des Abtes von Lorsch.« Er stand auf und füllte seinen Krug aus dem Fass hinter dem Ausschank. Die alte Frau hatte sich seit geraumer Zeit nicht mehr blicken lassen.
Gerald vermutete, dass sie bei Righild war.
Weitere Kostenlose Bücher