Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Überzeugung. Er würde das Land mit Krieg überziehen, Bürger und Bauern knechten und mit Angst und Schrecken regieren.« Engelbert setzte sich auf sein Bett. »Karl ist nicht böse«, sagt er leise.
»Darüber werden wir wohl immer uneins bleiben, Engelbert von der Hardenburg. Lasst uns die anderen Dinge besprechen. Karls Auftrag ist ein Freibrief, meine Eltern zu suchen. Doch egal, ob uns das gelingt oder nicht: Wen sollen wir Karl als Amalie Belcredi präsentieren?«
Das war in der Tat ein ernsthaftes Problem, das nur eine Lösung kannte. Engelbert musste die Reliquie finden, und dann musste Amalie Belcredi sterben, jedenfalls offiziell. So wie Karl gestorben war. Dann wären sie beide frei. Rebekka konnte eine Severin bleiben oder unter ihrem jüdischen Namen gehen, wohin sie wollte. »Wir müssen die Reliquie finden«, antwortete er vorsichtig. »Dann braucht der König Amalie Belcredi nicht mehr.«
»Und wie sollen wir das anstellen?«
»Gute Frage«, erwiderte Engelbert.
»Dieser Fulbach«, sagte Rebekka nachdenklich. »Er ist ebenfalls hinter der Reliquie her. Deshalb hat er mich entführen lassen. Ist es nicht so?«
Engelbert sah sie überrascht an. Was sie sagte, ergab Sinn. Ja, Fulbach musste von der Reliquie wissen. Und er hatte irgendwie herausgefunden, dass Amalie Severin in Wirklichkeit Amalie Belcredi war. Nur so ergab die Entführung einen Sinn. »Ich fürchte, ich muss Euch zustimmen.«
»Wir müssen sie vor ihm finden«, sagte Rebekka. »Wir müssen nach Pasovary.«
Engelbert zog die Stirn in Falten. »Dort haben bestimmt schon andere gesucht«, sagte er gedehnt. »Und nichts gefunden.« Wie auch, da offenbar niemand wusste, wonach genau sie suchten. Er hatte den König gefragt, aber auch der behauptete, keine Ahnung zu haben. War es ein Knochen? Blut? Der Kelch, aus dem Jesus getrunken hatte? Oder hatte es gar nichts mit Jesus zu tun? War es eine Reliquie, die direkt von Gott stammte? War das möglich? Hatte Gott außer seinem Sohn noch etwas oder jemanden auf die Erde entsandt? War es vielleicht Rebekka selbst, die als Tochter jüdischer und christlicher Eltern die Einheit der Religionen herbeiführen sollte? Eine Frau? Wie weit würde Gott gehen?
Er rieb sich die Augen. »Ich habe noch eine schlechte Nachricht für Euch.«
Rebekka erblasste.
»Es geht um Pasovary. Ihr seid nun vermutlich die Herrscherin über die Burg. Was jedoch niemand erfahren darf.« Engelbert hielt einen Moment inne, Rebekka nickte kaum merklich. Er fuhr fort. »Allerdings habt Ihr nicht viel davon. Die Burg ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt, als Fulbach versucht hat, Karl zu ermorden.«
»Dann gibt es dort wohl nichts mehr zu finden«, sagte Rebekka und senkte den Blick. »Feuer scheint mein Fluch zu sein.«
»Eure Familie war längst nicht mehr dort.«
Sie hob den Blick. »Was schlagt Ihr dann vor?«
Engelbert kam eine Idee. »Habt Ihr irgendwelche Gegenstände von Euren leiblichen Eltern? Haben sie etwas zurückgelassen, als sie Euch auf der Schwelle Eurer Zieheltern zurückließen?«
Ein Ruck ging durch Rebekka. Sie erhob sich, griff unter ihr Gewand und zog einen Leinenbeutel hervor. »Diese Gegenstände wurden mit mir abgelegt.« Nacheinander platzierte sie ein Buch und ein gelbes Deckchen auf dem Tisch. »Und das hier.« Sie deutete auf das Kruzifix, das sie um den Hals trug.
»Darf ich?« Engelbert streckte die Hand aus und griff nach dem Buch, das so klein war, dass es ganz auf seine Hand passte, und nach dem Deckchen.
Bereits der erste Blick machte Engelbert klar, dass die Belcredis nicht irgendwelche dahergelaufenen Landgrafen waren, die kaum besser rochen als die Schweinebauern, die ihnen den Zehnten zahlen mussten. Das Deckchen war aus feinster Wolle gefertigt, am Rand einer der Längsseiten war oberhalb der Spitze mit dunkelgelbem Seidenfaden der Name Amalie eingestickt. Er schlug das Büchlein auf. Es war eine winzige Bibel, eine feine Arbeit von höchster handwerklicher Kunst. Auf der ersten Seite standen die Worte Belcredi, Prag 1332 . Darunter war ein Wappen gemalt. Es zeigte Schild, Helm, Helmdecke, Helmwulst und Helmzier. Der Helm war in Silber gehalten mit goldenem Gitter. Der halbrunde Schild war von links unten nach rechts oben geteilt. Über dem Schild lag eine Pelzzier in Form des griechischen Buchstabens Omega, welche die zwei Schildfelder miteinander verband. So entstanden fünf Felder, unterschiedlich groß, unterschiedlich in der Form. Ein Drache spie in der unteren
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