Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
tief ein und aus. Sie würde diesen Mann immer verachten, das wurde ihr in diesem Augenblick klar. Aber sie würde es ihn niemals wissen lassen. Sie verschloss ihre Gefühle tief in ihrem Inneren, hob die Mundwinkel und verbeugte sich. »Ich danke Euch für Eure grenzenlose Güte«, sagte sie mit fester Stimme.
»Schon gut, Amalie, schon gut. Hier sind wir unter uns. Vergessen wir für einen Moment die höfischen Formen. Wir sind glücklich, dass Ihr wohlbehalten wieder unter uns weilt. Was für eine tapfere Frau Ihr seid! Ihr habt uns einen sehr großen Dienst erwiesen. Dafür sind wir Euch dankbar.« Karl griff nach einem Dokument. »Montfort hat Euch bereits die Urkunde zur Erhebung zur Amica ausgehändigt. Aber dies hier möchten wir Euch von eigener Hand überreichen. Es ist ein königliches Geleitschreiben. Wo immer mein Banner weht, könnt Ihr von meinen Dienern und Getreuen jegliche Hilfe einfordern. Seien es Ritter, Vasallen oder Bauern.«
Rebekka nahm den Freibrief entgegen und hielt ihr Haupt gesenkt. Damit hatte sie mehr Unterstützung durch den König in Händen, als sie je zu bekommen gehofft hatte. Mit diesem Schreiben würde die Suche nach ihren leiblichen Eltern viel leichter sein. »Ihr seid zu gütig«, murmelte sie.
Karl nahm ihre Hand und zog sie hoch. »Ich hoffe, Ihr werdet uns noch den einen oder anderen Dienst erweisen können.«
Rebekka nickte nur. Den einen oder anderen Dienst. Der Freibrief diente vor allem Karls eigenen Interessen, so konnte sie seine Aufträge noch besser erfüllen.
Der König wandte sich an Engelbert. »Doch jetzt muss ich mit Eurem Meister wichtige Dinge besprechen, und danach wird der Geburtstag des Gottessohnes gefeiert.«
Rebekka verstand und wandte sich zur Tür, die sich wie von selbst öffnete. Der Raum wurde also überwacht. Wahrscheinlich standen hinter den Teppichen Armbrustschützen, die jeden niederstrecken würden, der sich dem König in feindlicher Absicht näherte.
Vor der Tür bedeutete man ihr zu warten. Diener eilten herbei, brachten einen Stuhl und ein Tischchen, auf dem ein Zinnbecher mit würzigem, heißem Wein stand und eine Schale mit Konfekt. Rebekka nahm den Becher und kostete. Der Wein schmeckte vortrefflich und linderte das Ziehen in ihrem Bauch. Sie nahm von dem Konfekt, das süß und klebrig war und ebenfalls vorzüglich mundete.
Für eine Weile versuchte sie, ihren Schmerz und ihre finsteren Gedanken zu verscheuchen und es zu genießen, bedient zu werden. Seit sie ein kleines Mädchen war, hatte es zu ihren Pflichten gehört, andere zu bedienen, indem sie ihrer Mutter bei der Hausarbeit zur Hand ging. Gemeinsam hatten sie gekocht, gewaschen, geputzt, Ungeziefer gejagt, Wasser geschleppt, genäht, gesponnen, die Hühner versorgt und den Garten bestellt. Trotz der vielen schweren Arbeit war sie glücklich gewesen, viel glücklicher als hier auf dem gepolsterten Stuhl in der Burg des Königs, wo andere für sie arbeiteten. Ja, sie hatte sogar noch Zeit gefunden, die Bücher zu lesen, die Johann ihr borgte, und sich gelegentlich mit ihm zu treffen.
Rebekka leerte den Weinbecher. Als sie ihn absetzte, öffnete sich die Tür. Engelbert streckte den Kopf heraus und winkte sie zu sich. »Kommt, Amalie, es gibt Neuigkeiten.«
Rebekka erhob sich und trat näher.
Der Ordensritter beugte sich zu ihrem Ohr. »Lasst Euch nichts anmerken, was auch immer der König oder ich sagen mögen.«
Gemeinsam betraten sie erneut das Zimmer. Karl saß am gleichen Platz, doch nun hantierte er mit etwas herum. Rebekka musste genau hinschauen, bis sie es erkannte. Der König zerschnippelte mit einem Messer Binsen, hörte aber sofort auf, als er Rebekka wahrnahm. Johann hatte ihr die christliche Bedeutung einiger Pflanzen erklärt. Die Binse stand für Bescheidenheit und Demut, aber auch für Schwäche, Hinfälligkeit, Unbeständigkeit und Unzuverlässigkeit.
»Amalie Severin«, sagte der König bestimmt und stand auf. »Engelbert von der Hardenburg hat uns davon überzeugt, dass Ihr die Richtige seid, um mit ihm einen für die Christenheit überaus wichtigen Auftrag zu erledigen.« Er sah sie scharf an. »Ihr seid doch eine fromme Christin, die den Glauben heiligt und über alles stellt?«
Rebekka verneigte sich, damit Karl ihr Gesicht nicht sehen konnte. »Selbstverständlich, mein König«, sagte sie so bestimmt, wie sie vermochte.
Karl sah Engelbert auffordernd an, der sogleich erklärte, worum es ging. »Wir müssen eine gewisse Amalie Belcredi
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