Die Rettung von Zei
alsdann ein Schiff aus Suruskand, bemannt mit gefangenen Piraten, gestohlen und Euch mit selbigem in Luft aufgelöst hättet. Und nun steht Ihr plötzlich hier vor mir! Was verleitet einen Burschen von erprobter Rechtschaffenheit dazu, seinen Mantel in so erstaunlicher Weise nach dem Winde zu hängen?«
Barnevelt erzählte dem Bevollmächtigten von Königin Alvandis Plan, die gefangenen Sunqaruma zu töten.
»Ach ja«, sagte Gorbovast, »es ist ja allgemein bekannt, dass Ihr zu außergewöhnlichem Idealismus neigt. Wer ist denn dieser schmutzige Kerl in Fesseln? Die Freie Stadt verbietet die ungesetzliche Freiheitsberaubung freier Menschen, auch wenn es Erdenmenschen sind …«
»Dieser Mann«, sagte Barnevelt, »ist jener Shtain, dem wir nachgejagt sind.«
»Igor Eshtain, hä?«
»Derselbe. Der Janru-Ring hat ihn gefangen genommen, und die osirischen Mitglieder des Rings haben ihn vermittels ihrer psychischen Kräfte zum Piraten gemacht. Und jetzt erkennt er seine alten Freunde nicht mehr, Sheafase ist tot, aber wir haben vor einigen Zehn-Nächten in Jazmurian einen anderen Osirer namens Sishen kennen gelernt. Soweit ich mich erinnere, war dieser Sishen auf dem Weg nach Majbur. Wisst Ihr, ob er hier ist?«
»Nein, aber das können wir herausfinden. Gehen wir ins Amt des Chef Syndikus, direkt gegenüber.«
Der Chefsyndikus, dem sie zuletzt in Ghulinde begegnet waren, begrüßte sie mit noch größerem Erstaunen als Gorbovast. Als sie ihm die Situation geschildert hatten, ließ er seinen Polizeichef holen, der seinerseits nach einem seiner Untergebenen schickte. Dieser bestätigte: Jawohl, besagter Sishen sei im ›Chunar‹ abgestiegen und könne innerhalb einer Stunde vorgeführt werden.
»Erschreckt ihn nicht zu sehr«, sagte Barnevelt. »Er ist eine schreckhafte Seele. Sagt ihm, ein paar alte Freunde wären da und wollten ihn sehen.«
»Ähem«, sagte der Chefsyndikus mit einem verlegenen Räuspern. »So unangenehm es mir ist, einen solch glücklichen Augenblick zu trüben, aber die Pflicht gebietet es mir, gewisse unangenehme Angelegenheiten vorzubringen.« Er kramte in seiner Schreibtischlade. »Ich habe hier ein Schreiben des Präsidenten von Suruskand, der mich um Beistand bei der Wiederbeschaffung seines gestohlenen Schiffes ersucht.«
Barnevelt winkte mit lässiger Geste ab. »Er wird sein Schiff zurückbekommen. Inzwischen zahle ich ihm dafür Miete. Habt Ihr ein Scheckformular?«
Nachdem er mit einiger Verwunderung das seltsame bedruckte Ding gemustert hatte, das so gar keine Ähnlichkeit mit einem irdischen Scheck hatte, schrieb Barnevelt den Scheck über fünfhundert Kards aus, zahlbar an die Republik Suruskand durch das Bankhaus Ta’laum und Fosq. »Schickt ihm dies und sagt ihm, dass ich den Rest später begleiche.«
»Ich bin sicher, er wird Eure – hm – etwas lockere Art, die Angelegenheit zu behandeln, mit Nachsicht aufnehmen«, sagte der Chef Syndikus. »Ich habe hier noch ein weiteres Schreiben, das Euch betrifft. Es kam erst heute morgen an, in diplomatischem Code verschlüsselt – von Zakkomir bad-Gurshmani, einem Mündel von Königin Alvandi. Nach der üblichen Einleitung heißt es hier:
Seit unserer Rückkehr nach Ghulinde hin ich zu einem schrecklichen Tod verdammt: Durch die gesteuerte Auslosung bin ich zu Prinzessin Zeis erstem Gemahl bestimmt worden und somit dazu verpflichtet, sie am Tage ihrer Inthronisierung, dem zehnten Sifta, zu heiraten.‹ (Das ist, wie Ihr aus dem Kalender dort ersehen könnt, heute in sechs Tagen.) ›Ihr wisst, Herr Syndikus, welches Los den, auf den diese Ehre fällt, am Ende des Jahres erwartet. Zei ist ebenso unglücklich wie ich über diese missliche Situation, aber wir können nichts dagegen unternehmen, denn wir sind hilflose Marionetten in der königlichen Hand meines Vormundes, da sie auch nach ihrem nominellen Rücktritt alle Fäden in ihrer Hand behalten wird. Es gibt jedoch einen, der uns retten könnte: jenen mächtigen Erdenmenschen, der unter dem Pseudonym Snyol von Pleshch reist. Damit, nehme ich an, seid Ihr gemeint, mein Herr.«
»Richtig«, sagte Barnevelt.
Der Chefsyndikus machte eine beschwichtigende Geste. »Fürchtet Euch nicht, diese Tatsache in der Zurückgezogenheit unserer Amtszimmer zuzugeben, denn sowohl Gorbovast als auch ich sind aufgeklärte Männer, die gegen die vorurteilsbeladene Abneigung ankämpfen, die viele den Terranern entgegenbringen. Einige unserer besten Freunde sind Erdenmenschen, denn wir sind der
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