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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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wurde gesungen. Meine Mutter würde ihren Augen nicht trauen! dachte Julie, die sich immer geweigert hatte, diese Arbeit zu verrichten. Hier machte es sogar Spaß.
    Nach dem Essen stieg ein junger Mann aufs Podium und spielte schmachtende Melodien auf der Gitarre. Paare tanzten auf dem Rasen. Paul forderte Elizabeth auf, die Anführerin der Amazonen, die mit einer sehr wohlgerundeten Figur Eindruck machte.
    Léopold verbeugte sich vor Zoé, und auch sie tanzten eng umschlungen.
    »Vielleicht hätte man den Burschen lieber nicht auftreten lassen sollen«, sagte Julie gereizt. »Diese schmachtende Musik paßt doch nicht zu einer Revolution.«
    »Hier kann jeder vortragen, was er will«, widersprach David.
    Narcisse flirtete mit einem muskulösen jungen Mann, der ihm erklärte, daß er seinen Körper durch Body-Building fit hielte.
    Ji-woong forderte Francine auf, und sogar David tanzte ohne Krücke mit einer blonden Amazone, auf die er sich ein wenig stützen konnte.
    Von lauter Pärchen umringt, dachte Julie eifersüchtig, daß eine Revolution offenbar auch ein Aphrodisiakum war.
    »Tanzen Sie, Julie?«
    Der Lehrer für Wirtschaftskunde stand vor ihr. »Was machen Sie denn hier?« fragte sie verwundert.
    Noch erstaunter war sie, als er erklärte, er sei gestern im Konzert gewesen und habe auch an der Schlacht gegen die Polizei teilgenommen.
    Lehrer können also auch Freunde sein, dachte Julie überrascht. Trotzdem kam es ihr deplaciert vor, mit ihm zu tanzen. Der Graben zwischen Lehrern und Schülern war einfach zu tief, auch wenn er ihn offenbar zu überbrücken versuchte.
    »Ich tanze nicht gern«, murmelte sie.
    »Ich auch nicht«, grinste er, zog sie aber einfach mit sich.
    Schon nach wenigen Takten löste sie sich aus seinen Armen.
    »Entschuldigen Sie bitte, aber mir steht der Sinn wirklich nicht nach Tanzen.«
    Er betrachtete sie schweigend, und sie packte rasch eine der Amazonen bei der Hand und zerrte sie zu dem Lehrer. »Sie kann das tausendmal besser als ich.«
    Damit wollte sie sich zurückziehen, doch schon nach wenigen Schritten versperrte ihr ein schlanker Mann den Weg.
    »Darf ich mich vorstellen? Yvan Boduler, Werbeleiter. Ihr kleines Fest hat mich mitgerissen, und ich möchte Ihnen etwas vorschlagen.«
    Julie gab keine Antwort, ging aber etwas langsamer, und das ermutigte den Mann.
    »Ihr kleines Fest ist wirklich toll! Eine Menge junger Leute, eine Rockgruppe, vielversprechende Künstler – das wird zweifellos in allen Medien Aufsehen erregen. Sie brauchen aber Sponsoren, und ich könnte für Sie Verträge mit verschiedenen Firmen abschließen – Mineralwasser, Kleidung, vielleicht sogar Rundfunkgeräte. Nichts ist unmöglich.«
    Julie blieb stehen, und der Werbeleiter hielt das für ein gutes Omen.
    »Die Reklame braucht nicht auffällig zu sein. Nur ein paar Transparente und Plakate, weiter nichts. Auf diese Weise kämen Sie zu Geld und könnten Ihr kleines Fest noch prunkvoller gestalten.«
    Julie fixierte ihn mit eisiger Miene. »Tut mir leid, aber wir sind an so etwas nicht interessiert.«
    »Warum nicht?«
    »Weil das kein kleines Fest, sondern eine Revolution ist!«
    erwiderte sie wütend. Ihr war klar, daß diese Rebellion bisher nicht ernstgenommen wurde, weil es keine Opfer zu beklagen gab, aber sie war nicht bereit, einen Jahrmarkt daraus machen zu lassen. Warum waren Revolutionen in den Köpfen der Menschen unweigerlich mit Blutvergießen verbunden?
    Yvan Boduler hatte sich schon wieder gefaßt. »Man weiß ja nie … Sollten Sie Ihre Meinung ändern, könnte ich mich jederzeit mit Freunden in Verbindung setzen und …«
    Julie ließ ihn einfach stehen und bahnte sich einen Weg zwischen den Tanzpaaren. Sie malte sich aus, daß während der Französischen Revolution zwischen blutigen Trikoloren plötzlich Werbeplakate zu sehen gewesen wären: »Trinken Sie Sans-Culotte, das Bier aller Revolutionäre!«
    Und warum hatte man bei der Russischen Revolution nicht für Wodka und bei der kubanischen Revolution nicht für Zigarren geworben?
    Sie stürmte in ihr Klassenzimmer und schlug die Enzyklopädie auf, weil sie unbedingt eine Expertin in Sachen Revolution werden wollte. Nachdem sie das Buch wieder vor einen Spiegel gehalten hatte, entdeckte sie neue Texte, die in den Texten verborgen waren.
    Sie machte sich viele Notizen. Mit Fleiß und Ausdauer hoffte sie, die Gesetze einer Revolution ergründen zu können. Und vielleicht würde sie ja auch auf eine Utopie stoßen, die sich hier und

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