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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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rollte sich wie eine ägyptische Mumie in eine Decke ein, und die anderen legten sich ohne falsche Scham um sie herum. Sie spürte, daß David und Paul sich eng an sie schmiegten. Ji-woong lag am Rand der Matratze, aber es war trotzdem der Koreaner, von dem sie träumte.
     

129. ENZYKLOPÄDIE
     
    Annäherung durch ›offene Orte‹: Das gegenwärtige Gesellschaftssystem ist mangelhaft, denn es erlaubt jungen Talenten erst dann aufzutreten, nachdem sie so gründlich gesiebt wurden, daß sie allen Schwung verloren haben.
    Man müßte ein Netzwerk ›offener Orte‹ schaffen, wo jeder –
    auch ohne Diplome und Empfehlungen – seine Werke präsentieren könnte.
    An solchen ›offenen Orten‹ wäre alles möglich. In einem
    ›offenen‹ Theater könnte jeder ohne Vorbedingungen auftreten.
    Er müßte sich nur mindestens eine Stunde vor Beginn der Vorstellung eintragen (ohne irgendwelche Papiere vorzulegen, der Vorname würde genügen), und jeder Auftritt dürfte nicht länger als sechs Minuten dauern.
    Natürlich käme es dabei zu Affronts, aber die schlechten Nummern würde man eben auspfeifen und die guten beklatschen. Damit diese Art von Theater finanziell rentabel wäre, müßten die Zuschauer normale Eintrittspreise bezahlen, und dazu wären sie bestimmt bereit, denn sie bekämen ein zweistündiges Programm von großer Vielfalt geboten. In regelmäßigen Abständen könnten zwischendurch Profis auftreten, und für sie wäre dieses ›offene Theater‹ eine Art Trampolin, nach dem Motto: »Wenn Sie die Fortsetzung dieses Stücks sehen wollen, kommen Sie dann und dann in diese oder jene Vorstellung.«
    Diese ›offenen Orte‹ ließen sich vielfältig nutzen: als Kino, wo junge Cineasten ihre Filme von höchstens zehn Minuten Dauer präsentieren könnten,
    als Konzertsäle für vielversprechende Sänger und Musiker, als Galerien, wo jeder unbekannte Maler oder Bildhauer zwei Quadratmeter Fläche zur Verfügung hätte,
    als Galerien für Erfinder, unter denselben Bedingungen wie für die Künstler.
    Dieses System freier Präsentation ließe sich auch auf Architekten, Schriftsteller, Informatiker und Publizisten ausdehnen … Auf diese Weise würde man die Schwerfälligkeit der Administration umgehen, und Profis könnten hier mühelos neue Talente finden, ohne sich an Agenturen wenden zu müssen, auf deren Urteilsvermögen kein Verlaß ist.
    Kinder, Jugendliche, Alte, Schöne, Häßliche, Reiche, Arme, Einheimische und Ausländer – alle hätten dieselben Chancen und würden nur nach objektiven Kriterien beurteilt: nach der Qualität und Originalität ihrer Arbeit.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III

130. WASSERMANGEL
    Feuer braucht Wind und brennbare Materialien, um sich ausbreiten zu können, und weil ihm weder das eine noch das andere zur Verfügung stand, mußte dieser Brand sich damit begnügen, den einen Baum zu verzehren. Ein Sprühregen machte ihm vollends den Garaus. Ein Jammer, daß dieses Wasser nicht schon früher vom Himmel gefallen war.
    Die Reihen der Revolutionäre haben sich gelichtet. Viele sind ums Leben gekommen, und andere sind so verstört, daß sie in die Nester ihrer Vorfahren oder in ihren prähistorischen Dschungel zurückkehren wollen, wo sie nachts wenigstens ruhig schlafen können, ohne von Flammen bedroht zu werden.
    Nr. 15, die Jagdexpertin, schlägt vor, sich sofort auf Nahrungssuche zu begeben, denn im Umkreis von mehreren hundert Metern sind alle Insekten tot oder geflohen.
    Prinzessin Nr. 103 berichtet, die Finger würden gebratenes Fleisch essen.
    »Sie behaupten sogar, es wäre viel schmackhafter als rohes Fleisch.«
    Nachdem sowohl die Ameisen als auch die Finger Fleischfresser seien, könnten sie durchaus den gleichen Geschmack haben. Die meisten Ameisen sind von dieser Argumentation nicht überzeugt, aber Nr. 15 greift mit ihren Mandibeln mutig nach den sterblichen Überresten eines verbrannten Insekts und will an der Heuschreckenkeule knabbern. Gleich darauf zuckt sie vor Schmerz zusammen. Die Keule ist heiß!
    Nr. 15 hat soeben das erste Gebot der Gastronomie entdeckt: Wenn man Gebratenes oder Gekochtes essen will, muß man warten, bis es etwas abgekühlt ist. Der Preis dieser Lektion –
    ihre Lippen sind völlig taub, und in den nächsten Tagen wird sie den Geschmack irgendwelcher Speisen nur erkennen können, indem sie sie mit den Fühlern abtastet.
    Trotzdem probieren nun nach und nach alle Ameisen das gebratene Fleisch und

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