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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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wuchsen.
    Auf dem ganzen Schulhof schossen Estraden und Stände wie Pilze aus dem Boden, wo die jungen Revolutionäre ganz spontan ihre Werke präsentierten. Malerei, Bildhauerei, Erfindungen, Poesie, Tanz, Computerspiele – alles war vertreten. Das Gymnasium hatte sich in ein buntes Dorf verwandelt, dessen Bewohner einander duzten, Freundschaften schlossen, experimentierten, bastelten, aßen, tranken, spielten, sich amüsierten oder ausruhten.
    Auf dem Podium konnten mit Hilfe das Synthesizers Tausende von Orchestern reproduziert werden, und bei Tag und Nacht erprobten mehr oder weniger erfahrene Musiker alle Möglichkeiten dieses Wunderwerks moderner Technologie, das eine Vermischung von Musik aus aller Welt erlaubte.
    So konnte sich etwa ein indischer Sitarspieler an Kammermusik beteiligen, eine Jazzsängerin ließ sich von balinesischen Schlaginstrumenten begleiten, eine Tänzerin des japanischen Kabukitheaters bot ihren Schmetterlingstanz zu afrikanischen Tam-Tam-Rhythmen dar, ein argentinischer Tangotänzer produzierte sich zu tibetanischer Musik, und vier Ballettratten paßten ihre Entrechats sonoren New-Age-Klängen an. Wenn der Synthesizer nicht ausreichte, wurden neue Instrumente erfunden.
    Die besten Stücke zeichnete man auf und sendete sie per Internet. Im Gegenzug empfingen die Revolutionäre von Fontainebleau auch Musik aus San Francisco, Barcelona, Amsterdam, Berkeley, Sydney oder Seoul, wo andere
    ›Ameisenrevolutionäre‹ genauso emsig am Werk waren.
    Mit Hilfe von Digitalkameras und Digitalmikrofonen, die er mit den Computern verband, gelang es Ji-woong sogar, Musiker aus verschiedenen Ländern gemeinsam spielen zu lassen: Fontainebleau steuerte das Schlagzeug bei, San Francisco die Gitarren, Barcelona die Stimmen, Amsterdam das Klavier, Sydney den Kontrabaß und Seoul die Geige.
    Gruppen aus aller Welt wechselten sich auf den digitalen Kanälen ab. Aus Amerika, Asien, Afrika, Europa und Australien ertönte experimentelle planetarische Musik.
    Alle Grenzen von Zeit und Raum wurden auf dem Schulhof von Fontainebleau gesprengt.
    Der Fotokopierer des Gymnasiums war im Dauereinsatz, um alle über den Tagesablauf zu informieren, über Auftritte von Musik-und Theatergruppen, Diskussionen, neue Stände etc.
    Vervielfältigt wurden aber auch Gedichte, polemische Artikel, Statuten der GmbH-Filialen und neuerdings sogar Fotos von Julie, die während des zweiten Konzerts gemacht worden waren. Nicht zu vergessen Pauls Tagesmenü, das sich besonderer Beliebtheit erfreute. In der Schulbücherei hatten die Belagerten Porträts großer Revolutionäre und berühmter Rocker gefunden, die ihnen sympathisch waren, und diese Abbildungen wurden mit dem Fotokopierer vergrößert und in den Korridoren aufgehängt: Lao-tse, Gandhi, Peter Gabriel, Albert Einstein, der Dalai-Lama, die Beatles, Philip K. Dick, Frank Herbert, Jonathan Swift …
    Julie notierte auf den leeren Seiten der Enzyklopädie: Revolutionsregel Nr. 54: Die Anarchie ist eine Quelle von Kreativität. Vom gesellschaftlichen Druck befreit, beginnen die Menschen ganz spontan zu erfinden, nach Schönheit und Intelligenz zu suchen, miteinander zu kommunizieren. In guter Erde können sogar die kleinsten Samen zu großen Bäumen heranwachsen, die reiche Früchte tragen.
     
    In Klassenzimmern wurden hitzige Diskussionen geführt, und abends verteilte man Decken, in die sich die jungen Leute zu zweit oder zu dritt einhüllten, eng aneinandergeschmiegt, um sich gegenseitig warm zu halten.
    Eine der Amazonen führte auf dem Schulhof Tai-Chi vor und erklärte, diese jahrtausendealte Gymnastik ahme Bewegungen von Tieren nach, um sie besser verstehen zu können. Inspiriert von dieser Idee, wollten Tänzer die Bewegungen von Ameisen imitieren. Diese Insekten verfügten über eine exotische Anmut und Geschmeidigkeit, die mit der von Katzen und Hunden nicht zu vergleichen war. Die Tänzer erfanden neue Schritte und rieben ihre hoch erhobenen Arme aneinander, als wären es Fühler.
    Ein junger Zuschauer bot Julie eine Zigarette an. »Marihuana gefällig?«
    »Nein, danke, das Zeug reizt meine Stimmbänder, und ich brauche es auch nicht. Dieses Fest stimuliert mich mehr als genug.«
    »Du hast Glück, wenn du von solchen Bagatellen high wirst!«
    »Das nennst du Bagatellen?« staunte Julie. »Ich für meine Person habe noch nie etwas so Umwerfendes erlebt.«
    Sie wußte allerdings auch, daß man etwas Ordnung in diesen ganzen Basar bringen mußte, denn andernfalls würde

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