Die Revolution der Ameisen
Strecken tragen können.
»Mit Hilfe einer Schnecke wäre es möglich gewesen«, entgegnet Nr. 103.
Nr. 5 erinnert daran, daß Schnecken Ameiseneier fressen. Sie ist der Ansicht, daß Ameisenkunstwerke leicht sein müßten, damit man sich mit ihnen nicht abzuschleppen brauchte.
» Das werden wir auch nicht mitnehmen können«, sagt sie zu Nr. 7, die sich diesmal ein besonders großes Blatt als Leinwand ausgesucht hat.
Die beiden Ameisen beraten sich, und plötzlich hat Nr. 7 eine Idee: Könnte sie ihre Zeichnungen nicht mit der Mandibelspitze direkt in die Panzer ihrer Artgenossinnen ritzen? Die Idee gefällt Nr. 103. Auch bei den Fingern gibt es so eine Kunstform, die sogenannte ›Tätowierung‹. Doch weil ihre Haut so weich ist, müssen sie diese Zeichnungen durch Farben sichtbar machen, während es für eine Ameise ein Kinderspiel ist, das Chitin mit der Mandibelspitze zu bearbeiten.
Nr. 7 will sofort den Panzer von Nr. 103 bemalen, doch die Prinzessin war früher eine tapfere Kriegerin, und deshalb hat ihr Panzer schon so viele Schrammen, daß man darauf kein Kunstwerk unterbringen konnte.
Deshalb wird Nr. 16 gerufen, die jüngste Ameise des Trupps, die einen völlig unversehrten Panzer hat. Mit der rechten Mandibelspitze als Stilett macht sich Nr. 7 ans Werk. Das erste Motiv, das ihr in den Sinn kommt, ist ein brennender Ameisenhaufen. Sie ritzt das Motiv auf den Unterleib der jungen Kundschafterin. Die Flammen bilden lange Arabesken und Spiralen, die sich wie Fäden vereinigen. Zu ihrem Leidwesen haben die Ameisen, denen sie ihr Kunstwerk zeigt, jedoch wenig Interesse an der künstlerischen Darstellung des Feuers.
137. MAXIMILIEN BEI SICH ZU HAUSE
Maximilien holte tote Guppys aus seinem Aquarium. In den letzten zwei Tagen hatte er sie vernachlässigt, und sie bestraften ihn, indem sie einfach starben. Diese durch genetische Kreuzungen erzeugten Tiere sind zwar sehr hübsch, aber auch sehr empfindlich, dachte der Kommissar. Vielleicht hätte ich doch lieber natürliche Arten nehmen sollen. Sie sind zwar nicht so schön, aber dafür bestimmt anpassungs-und widerstandsfähiger.
Er warf die Kadaver in den Mülleimer und wartete im Salon aufs Abendessen, wobei er im Clairon de Fontainebleau blätterte. Auf der letzten Seite fiel ihm ein kurzer Artikel mit der Überschrift ›Ein Gymnasium unter Polizeiaufsicht‹ ins Auge, und einen Moment lang befürchtete er, der Journalist könnte die Leser objektiv informiert haben. Aber nein, der brave Vaugirard hatte gute Arbeit geleistet. Er redete von Linksextremen und Rowdys und betonte besonders die Klagen der Nachbarn über nächtliche Ruhestörung. Ein winziges Foto der Rädelsführerin war mit der Unterschrift versehen: ›Julie Pinson, Sängerin und Rebellin.‹
Rebellin? Eher eine verwöhnte Rotzgöre! Aber ihm fiel jetzt zum erstenmal auf, daß die Tochter von Gaston Pinson nicht nur hübsch, sondern schön war.
Die Familie ging zu Tisch.
Menü: Schnecken in Kräuterbutter als Vorspeise und Froschschenkel mit Reis als Hauptgericht.
Er betrachtete seine Frau unauffällig und fand ihr ganzes Benehmen unerträglich. Sie spreizte beim Essen den kleinen Finger ab, lächelte ständig und ließ ihn nicht aus den Augen.
Marguerite erhielt von ihrer Mutter die Erlaubnis, den Fernseher einzuschalten.
Kanal 423. Wettervorhersage. Die Luftverschmutzung in den Großstädten hat die Grenzwerte bedenklich überschritten.
Immer mehr Menschen klagen über Augenreizungen und Atemnot. Die Regierung plant eine Parlamentsdebatte zu diesem Thema und hat zunächst einmal Fachleute beauftragt, Lösungen vorzuschlagen.
Kanal 67. Werbung. »Essen Sie Joghurt! Essen Sie Joghurt!
ESSEN SIE JOGHURT!«
Kanal 622. Quiz. ›Denkfalle‹. »Wir haben es immer noch mit dem Rätsel der sechs Streichhölzer und acht Dreiecke zu tun und …«
Maximilien riß seiner Tochter die Fernbedienung aus der Hand und schaltete den Fernseher aus.
»O nein, Papa! Ich möchte wissen, ob Madame Ramirez das Rätsel gelöst hat.« Der Familienvater blieb hart. Wer die Fernbedienung in der Hand hatte, war Alleinherrscher.
Maximilien schnauzte seine Tochter an, sie solle aufhören, mit dem Salzfaß zu spielen, und seine Frau ermahnte er, nicht so hastig zu schlingen.
Alles ärgerte ihn maßlos.
Als seine Frau stolz das Dessert, einen pyramidenförmigen Pudding, vor ihn hinstellte, hielt er es einfach nicht länger aus, verließ den Raum und schloß sich in seinem Arbeitszimmer ein.
Er
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